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Bekentnisse eines möblierten Herren

Bekentnisse eines möblierten Herren

Titel: Bekentnisse eines möblierten Herren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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Untermieter ist?« fragte Hubert abschließend.
    »Was hat denn das damit zu tun?«
    »Von einem Milieu ins andere schaukeln, ohne ein eigenes zu haben, und deshalb ganz auf das fremde angewiesen sein. Wer saturiert aus dem Eigenheim aufbricht, erlebt die Welt nicht mehr so unmittelbar. Der Umweg, den du machst, der Luxus mit der Zeit, den du treibst, ist das Gesündeste, was es gibt. Selbst wenn du dabei krank wirst. Wandere weiter! Es amüsiert mich ungemein, dich zu beobachten.«
    »Was du wieder daherredest!« begehrte der Rekonvaleszent auf.
    »Ich verbitte mir, daß man mich ernst nimmt, ich will verstanden werden!«
    »Und während ich als kranker Mann wandere, macht die Konkurrenz inzwischen Karriere.«
    »Regie ist alles! Laß sie reich werden und fett und geizig und werde du indessen Mensch. Mehr kann doch keiner werden. Erfolg ist nur die Folge der Penetranz des Durchschnitts. Das Format eines Menschen aber erkennt man nicht an dem, was er tut, sondern an dem, worauf hereinzufallen er bereits unterläßt. Das gilt auch für deine Bilderbuchprinzessin. Herrlich! Wunderbar! Geboren, um überwunden zu werden!«
    »Deine Reife wird nur noch überboten von der Druckreife deiner Sätze. Was soll ich also?«
    »Hör auf, blindlings am Schnuller der Konvention zu lutschen, iß endlich à la carte! Lebensstil ist freie Auswahl. Durchschaue die armselige Geborgenheit im Überlieferten, denk an den Palmwedel...»
    »Gerade der war mein Lichtblick in dem Haus.«
    »Ja, weil du ihn als Kitsch erkennst und deshalb liebst! Dort aber steht er ernst gemeint, wie er schon beim Großvater dastand und bei dessen Großvater. Damals hatte er vielleicht noch eine Bedeutung als Zweig aus der Siegespalme oder...« Ein neuer Gedanke erzwang sich die Vorfahrt: »Wem verdanken sie denn ihre Existenz? Dem Heldentum, der Tatsache, daß irgendwann irgendwo mal einer für lebensgefährlichen Unfug geadelt wurde! Doch was sind die Nachfahren? Verwandte von Olympiasiegern — modern ausgedrückt Putzer nicht selbst erworbener Pokale, stolze Erben bescheidener Heroen. Davon leben sie, vom Fassadehalten für den eigenen Hochmut.«
    Lukas schob die Bettdecke auf Gürtelhöhe hinunter. »Bist du für derartige Verallgemeinerungen nicht schon etwas zu alt?«
    »Verallgemeinerungen? — Ich kenne einen Hotelier, in dessen Haus jedes Jahr sogenannte Adelsbälle stattfinden, mit Schulterband und Halsorden. >Nie wird so viel geschnorrt, gepumpt, um billige Zimmer und Stammgerichtspreise gebeten wie an diesen Abenden«, sagt der. Und wenn er ihnen dann entgegengekommen ist, kennen sie ihn nicht mehr.«
    Er stand auf.
    »Ich muß jetzt gehen. Ich will rauchen. Also: Überwinde deinen Rauschgoldengel!«
    Erfolg: 38,3 — die Temperatur kletterte der Katharsis entgegen, Lukas dachte sich gesund. Er brauchte Hubert, und Hubert brauchte ihn. Mangels eigener Vaterschaft zwangsläufig zum Mentor erblüht, vollzog er hier im heiteren Galopp geistigen Gleichklangs das Gesetz der Weitergaben des Gehorteten an die nächste Generation. Die Tage wurden fieberfrei und hell die Nächte.

    Dann kam Marie-Luise.
    »Du liegst im Bett? Ich habe vorhin schon bei dir angerufen. Eine Dame war am Apparat.«
    »So? Nett, daß man dich auch mal wieder sieht«, sagte Lukas.
    Sie trug das gelbe Kleid von damals und lächelte unsicher. »Ich hab’ wenig Zeit. Wir sind erst heute gekommen. Wollte nur mal nach dir sehen.«
    »Sehr freundlich von dir.« Er nickte höflich-ironisch. Sie blieb vor dem Bett stehen; ihre Bewegungen verrieten Aufbruch.
    »Mamachen ist da... bei Tante Josephine.«
    »Ja dann...«
    »Du, stell dir vor, ich hab’ das Kleid gekriegt!«
    »Welches Kleid?«
    »Das bei Podolsky. Süß, sag’ ich dir! Morgen fahren wir weiter nach Schloß Sippenburg.«
    »Ach ja...«
    »Ich bin doch Brautjungfer!«
    Lukas lachte laut.
    »Weiß nicht, was daran komisch sein soll?«
    »Nichts. Ich freu’ mich nur für dich.«
    Sie war entschlossen, seinen Unterton zu überhören. »Und dann fahr’ ich noch mit zur Grande-Duchesse.« Et antwortete nicht. Sie sah sich um.
    »Meine Platten müssen noch hier sein.«
    »Da drüben in der Kommode liegt alles.«
    Geschäftig packte sie zusammen.
    »Dann wirst du wohl demnächst in den Illustrierten erscheinen«, sagte er, sie beobachtend.
    »Möglich.«
    Auch ihren Morgenrock, der noch in seinem Schrank hing, vergaß sie nicht, ebensowenig die Pantöffelchen, die er ihr gekauft hatte. Ihrer großen Ledertasche nach zu schließen,

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