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Bekentnisse eines möblierten Herren

Bekentnisse eines möblierten Herren

Titel: Bekentnisse eines möblierten Herren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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seit sechs Wochen gegenüber, wie?«
    »Sieben.«
    Sie faßte ihn im Nacken.
    »Ich werde Sie >Body< nennen.«
    Es schlug zwei. Allerlei Tiefsinn breitete sich aus. »Gott?« Baron Weißröder zog die Brauen hoch. »Der Mann hat so viel Macht im Himmel, der braucht keinen Stellvertreter auf Erden...«
    Präsident Henrici gähnte.
    Eies Brokatschenkel schoben sich, von Dr. Becker gemessen bewegt, über das Parkett.
    »Du tanzt wie ein Vamp, Frauke«, rügte sie.
    Der Griff in Lukas’ Nacken wurde verstärkt.
    »Ich bin nun mal so!«
    Dann gab es Mokka. Man saß, man stand, man rührte, man trank. Alfredo tuschelte mit der Plutobestrahlten und dem Kammersänger. Endlich kündigte er das Ereignis an:
    »Unser sehr lieber Freund, Kammersänger Willi Abendroth, wird jetzt, von unserer lieben Baronin begleitet, etwas zum besten geben.«
    Abendroth sang »Die Uhr« von Loewe zu Cembalobegleitung mit Saturnquadrat auf dem zweiten Manual.
    »Zauberhaft!«
    Vollast der Corsage.
    »Sie kommen mich bald besuchen, Body. Ja?«
    In Lukas’ Atelier schrillte das Telefon.
    »Dornberg. — Ach, Sie sind es! — O danke. Und Ihnen? — Was haben Sie denn Schönes für mich? — Ach so! Nein, die Dame ist nicht mehr hier. — Weiß ich leider auch nicht. — Auf Wiederhören.«
    Mürrisch hängte er ein. Ausgerechnet jetzt, da Donicke ihm gegenübersaß, mußte das passieren! Wäre es doch ein Auftrag gewesen, damit der Kollege gesehen hätte, wie hier das Geschäft floriert! Aber nein, der Jugendbuchverlag hatte angerufen und sich nach Marie-Luise erkundigt. Nach ihr! Nicht nach ihm.
    »Wir sind unterbrochen worden«, sagte Donicke, mit der Hand die semmelblonden Strähnen über dem sommersprossigen Bubengesicht ordnend. »Also wie gesagt, alleine kann ich den Auftrag nicht bewältigen, zumal es sich um einen Dauerauftrag handelt. Und das ist der Grund meines Hierseins. Ich mache Ihnen folgendes Angebot: Sie arbeiten ab sofort für mich, wobei ich mich verpflichte, Ihnen nur künstlerisch interessante Aufgaben anzuvertrauen, wie die Gestaltung der Auslandsprospekte zum Beispiel, eben alles, was modern sein soll, was einen gewissen Pfiff verlangt. Das ist doch Ihre Stärke! Den Routinekram können meine Angestellten machen. Damit wir uns aber richtig verstehen: Die gesamte Arbeit läuft über mich; sie führen keine direkten Verhandlungen mit dem Werk; auch die Honorierung Ihrer Arbeit geht über mich. Na, wir werden uns da schon einigen
    Lukas stand am Fenster und sah hinaus. Es war unerhört. Donicke, der Stockkonventionelle, Einfallslose, Jüngere, machte ihm großzügig ein Angebot.
    »Ja, wissen Sie, das Ganze ist eine reine Rechenaufgabe, ich weiß nicht, wie ich das mit meinen übrigen Verpflichtungen vereinbaren soll«, log er. »Ich kann ja nicht von heute auf morgen alles abblasen, zumal ich mich immer bemühe, eine gewisse Ausrichtung in die Arbeit zu bringen, einen Stil, wenn Sie es wollen Donicke überhörte seine Argumente.
    »Besser einen dicken Fisch als tausend Kleckereien. Gerade wenn man eine eigene Richtung hat. Wer hat die schon! Es wäre die Chance für Sie! Überlegen Sie sich’s gut, ich muß es heute noch wissen.«
    Er zog eine Zeitung aus der Tasche und lehnte sich seelenruhig zurück. Er saß im Sattel, er hatte Zeit. Lukas begann auf und ab zu laufen.
    >Wie komme ich eigentlich dazu, in eine derartige Situation zu geraten? Ich nehme meinen Beruf mindestens so ernst wie er. Aber er hat die Aufträge! Herrscht bei mir das Privatleben vor? Vielleicht. Ich lebe in schöngeistigen Betrachtungen in den Tag, kutschiere als charmanter Beobachter durch die Wohnwaben fremder Leute und fühle mich als Künstler. Mit dem Endergebnis, daß ich nachher nicht einmal imstande bin, meine Eindrücke in Bargeld umzusetzen. Unsinn! Dadurch, daß ich mich mit allem auseinandersetze, fällt mir auch mehr ein. Aber wen interessierte? Ihn! Er spürt genau, daß ich eine Gefahr für ihn bin. Deshalb will er mich ja einkaufen! Was soll ich machen? Das Geld, das Geld...! Wie der Kerl dasitzt, das Würstchen, das unausgebackene mit seinem langen Streberhals! Aber er ist gefragt. Marie-Luise und Donicke! Träge Wasserkocher sind es, die überall am Drücker sitzen! Manager, Zwischenhändler! Und schlachten die anderen aus. Die Trägheit bestimmt das Bild der Welt, die Trägheit des Mittelmaßes, von ein paar Besessenen mühsam in Bewegung gehalten. Was da in den Büros an Zeit versessen und totgequatscht wird! Zwanzig Telefonate, und

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