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Bekentnisse eines möblierten Herren

Bekentnisse eines möblierten Herren

Titel: Bekentnisse eines möblierten Herren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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angenehmes Gefühl in Größe und Abmessung. Die Cor-sage schien real gefüllt.
    »Wir tanzen gut zusammen, wie?«
    Plattenwechsel, Sekt. Plattenwechsel, Sekt. Dann Pause. Die Nichttänzer besprachen die Wirtschaftslage.
    »...aber ich bitte Sie, Baumann St Meinecke sind doch nicht liquid
    Zum langsamen Walzer erschien die Dame des Hauses. Ausgerechnet mit Konsul Fleischer. Man sah es ihr an.
    »...und was macht Ihre Tochter?«
    »Andrea ist jetzt in Lausanne. Sehr gutes Internat. Sie ist ja immerhin schon zwölf.«
    Lukas dachte an den erforderlichen Pflichttanz, indes Frauke die langen Schritte auskostete.
    »Sehr flott, sehr flott«, alberte Daniela aus dem Arm des Staatssekretärs. Lukas manövrierte auf gleiche Höhe, um das Gespräch in Gang zu halten, bis das Stück zu Ende war.
    »Ich muß mal zu Frau Passavant«, flüsterte er Frauke ins Ohr. Der Konsul trocknete gerade halbabgewandt seine Stirn; die Musik setzte wieder ein. Lukas verneigte sich artig vor der Hausherrin und hob sie in den Rhythmus. »Die Gelegenheit war günstig«, lächelte er. Sie antwortete nicht und hielt auf Distanz. Im Summen der Gespräche tanzten sie herb dahin.

    »...das sage ich Ihnen: wenn der Russe mal nicht mehr will...« Drehung. Alfredo mit Maria Petersen, taktvoll, ohne Rhythmus: »...nein, Paul ist ein zauberhafter Kollege«, bekannte die Künstlerin gerade. Und wieder fiel ihm die Hand des Hausherrn auf. Eine ungeschickte Hand. Mit einer leichten Drehung brachte er Frau Müller-Passavants Rechte vergleichend neben die Alfredos. Ob sie mit dem Mann glücklich ist?
    »Noch den nächsten?« fragte er in der Pause, ohne sie loszulassen. Sie nickte; er zog sie fester an sich. Was für ein Unterschied! Frauke, das Weibchen; sie, die Frau! Und immer noch kein Wort. Seine Beine begannen zu improvisieren.
    »Gefällt es Ihnen?« fragte sie endlich.
    »O ja. Ich beobachte doch so gern.«
    Sie sah ihn nicht an und glitt auf Distance zurück. Mit einer Rückwärtsdrehung an der Grenze zwischen Etikette und Männlichkeit zog er sie, sein Tun bereits bedauernd, wieder näher. Verwirrt ließ sie es geschehen, und er gab ihr, in heiteren Bounce wechselnd, den Rückzug frei. Unvermittelt blieb er stehen.
    »Warum lassen Sie sich nicht in den Rhythmus fallen? Es macht Ihnen Spaß, ich spür’ es doch.«
    Erschreckter Blick, er nahm sich zurück und führte sie behutsam weiter. Aufkommendes Industriegeschwätz begrub weitere differenzierte Wahrnehmungen.
    »...Brockelmaier ist jetzt bei Kunstfaser-Süd. Ich hätte den Mann ja nie gehen lassen!«
    »Danke«, sagte Lukas im Schlußakkord, Handkuß. Sekt.
    Am Kamin entdeckte er Hubert im Gespräch mit Pfeiffer; zwei harte Köpfe vor dem weichen Watteau.
    »Da sind Sie ja wieder.«
    Frauke griff vertraut nach ihm. Hubert winkte gerade energisch mit der Zigarre ab.
    »...nein, lieber Pfeiffer, es gibt Situationen, die man nicht schildern kann, weil das Leben zu sehr übertreibt.«
    »Und gerade das wären die interessantesten! Sie geben mir also doch recht: Der Roman ist tot.«
    Hubert schüttelte den Kopf, daß die Aschenspitze seiner Zigarre auf den Teppich fiel.
    »Solange es Menschen gibt, wird das Leben beschrieben werden. Nur der Reißbrettroman stirbt, die schizophrene Konstruktion, das Dreidimensionale — Physik in der Literatur, Versuche, ein Essen aus der Perspektive von Messer und Gabel zu schildern. Mutationen abgenabelter Kleinhirne. Sie werden wieder verschwinden, sie haben nie gelebt. Den Pillenfressern fehlt der Eintopf!«
    Seine Emphase brachte Bewegung in die Bandscheiben. »Und was schreiben Sie?« fragte Pfeiffer.
    »Mal dies, mal jenes.«
    »Kein Anliegen? Keine Richtung?«
    Hubert legte die Zigarre weg.
    »Wenn ich der Welt immer mit demselben Anliegen kommen wollte, hätte ich auch Bäcker werden können.«
    »Sie sollten Stücke schreiben«, lachte der Regisseur. Die Gesellschaft schwieg in bewundernder Verständnislosigkeit. Hier sprachen zwei Männer über Kunst wie über Markenartikel. Nur Alfredo fand einen lange geplanten Übergang.
    »Da wir gerade von Literatur sprechen, liebe Frau Petersen, muß ich Ihnen unbedingt die Bilder von unserm Haus zeigen, die jetzt in — Kunst und Kultur« erschienen sind.«
    Mit seinen tumben Fingern griff er das auf dem Kaminsims bereit gelegte Heft und blätterte vor, bis alles Gesagte in einem abermaligen »Zauberhaft« versank. Hubert verschwand à la française. Sekt. Musik.
    Frauke klebte beim Blues.
    »Und so was wohnt mir

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