Bekentnisse eines möblierten Herren
seiner Zigarre, bis sie wieder richtig brannte.
»Jetzt weiß ich, wie ich mein Stück schreiben muß!«
»Wie denn?«
»Gar nicht. Eure Reaktion ist zu deprimierend. Ein bißchen Feuerwerk, in lässiger Pose, mit destruktiven Elementen angereichert — das wollen die Leute. Sie hängen dem Aparten an und sehnen sich im Grunde nach Naivität. Doch keiner tritt hinaus in den Morgen »Und wie stellen Sie sich diesen Morgen vor?« fragte die schöne, teure Frau.
»Kühle Romantik und ironische Herzlichkeit!«
Der Behaartere seufzte: »Ekelhaft positiv bist du heute! Und wovon sollen die Illustrierten leben?«
»Wovon sie bisher gelebt haben. Von den Inseraten.«
»Und warum gehst du nicht voraus?« fragte Lukas. Hubert zuckte die Schultern.
»Keine Eile. Erfolgreiche Zeitkritik ist eine Modefrage. Der Vertrieb muß sich erst umstellen.«
Als sie zum Wagen gingen, hängte sie bei ihm ein. »Bitte, fahren Sie.« Und sie gab ihm die Schlüssel. Mit niedriger Drehzahl bewegte Lukas das luxuriöse Massenprodukt nach der Norm letzter Distinktion. Doch der äußeren Vornehmheit ihres weichen Dahingleitens lag eine menschliche Absicht zugrunde: die gewonnene Harmonie nicht mit Motorenlärm zu gefährden. Hier im Wagen fühlte er ihre Nähe noch deutlicher. Der enge Raum, das gemeinsame Ziel. Selten, daß die Technik Gefühlsmomente verstärkt, dachte er.
»Das war der schönste Abend seit langem«, sagte sie an einer Stoppstelle.
»Ich wußte, daß es Ihnen gefallen würde, obwohl Längst innerlich bereit, nach ihrer Hand zu greifen, klammerte er sich an den Schalthebel.
»Obwohl was?«
»Als ich Sie kennenlernte, hätte ich nie und nimmer gedacht, daß Sie so zu uns passen.«
»Tu’ ich das?« klang es freudig erstaunt.
Er nickte.
»Sie haben den Herold schön gefunden und Kathi die Hand gegeben. Das ist ein Kriterium!«
Sie lächelte nachdenklich.
»So, da wären wir«, sagte Lukas.
Dann saßen sie auf dem großen englischen Sofa, neben dem Verkündigungsengel. Die Hausherrin, in Hosen und Pullover jetzt, hatte die Knie hochgezogen und erzählte. Durch das dünne Gewebe ihrer Strümpfe schimmerten zierlich und von keiner Schuhmode aus der Richtung natürlichen Wachstums gedrängt ihre Zehen, die sie, zur Unterstreichung besonders betonter Worte, unbewußt ins Polster krallte. Sein Blick wanderte hinauf über die schmalen Konturen ihrer Bubenknie zu der kleinen, geraden Nase, den leicht melancholischen Augen und dem beherrscht sinnlichen Mund, bis es ihn wieder zu ihren vor den Schienbeinen gefalteten Händen zog.
Ihr Vater war Diplomat gewesen — erzählte sie — , aus einer reichen Schweizer Familie die Mutter. Nach Internatsjahren in der Schweiz und England hatte sie es mit Golfschläger und Zaumzeug zu beachtlichen Erfolgen gebracht. Und auf dem Golfplatz war es auch gewesen, wo ihr, nach einem gelungenen Versuch mit dem Putter beim siebten Loch, Alfredo in den Weg gelaufen war. »Ich hatte es mit der Sieben, ich betrachtete sie als Glückszahl; wir haben sehr bald geheiratet«, sagte sie lachend. »Aber ich rede und rede hier — jetzt müssen Sie erzählen.« Lukas griff nach dem Bierglas und zündete sich, während er seine Gedanken ordnete, eine Zigarette an. »Ich will es kurz machen: Vater Stadtbaurat, Mutter Mutter, Ehe glücklich, beide tot. Zwei Kinder. Tochter Astrid: Studium der Kunstgeschichte unvollendet, da vor Prüfung in »Klassizismus« Heirat nach Neuseeland...«
»Vom Klassizismus nach Neuseeland? Donnerwetter!«
Sie nahm einen Schluck Rotwein und gruppierte ihre Beine um.
»Sohn Lukas: Philantro-Skeptiker, kein Internat, kein Reiter, kein Golfspieler, nach Gastspielen auf Universität, Konservatorium und Kunstakademie zum Graphiker und Haushüter gereift, daselbst unverheiratetermaßen bei ordentlichem Einkommen vorwärtsstrebend.<«
Sie lachte.
»Soso, Philantro-Skeptiker sind Sie! Können Sie das genauer erklären?«
»Von Freunden nichts erwarten,- höfliche Rücksichtslosigkeit bei ausgeruhter Hilfsbereitschaft für ernste Fälle.«
»Der Satz könnte von Ihrem Freund Hubert sein.«
»Könnte er auch«, bestätigte Lukas offen. »Ohne ihn hätte ich längst eine eigene Wohnung.«
Sie sah ihn erstaunt an.
»Was hat das damit zu tun?«
»Sehr viel. Ich leiste mir auf seine Anregung sozusagen den Luxus, mich durch praktische Milieustudien zu sublimieren. Darüber führe ich sogar Tagebuch Das hatte er noch niemandem gesagt, fiel ihm auf. Abermals gruppierte sie ihre
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