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Bekentnisse eines möblierten Herren

Bekentnisse eines möblierten Herren

Titel: Bekentnisse eines möblierten Herren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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Beine um.
    »Sie... Sie sind ja gemeingefährlich!«
    Er griff nach seinem Glas. »Keineswegs. Ich sammle meine Erkenntnisse nur für die Schublade.«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Da arbeiten andere Tag und Nacht, und dieser Mensch schaut zu. Dabei kann er zeichnen und könnte seine Beobachtungen in Geld umsetzen »Lebenskunst beginnt bei der Absichtslosigkeit.«
    Das Gespräch wandte sich Daniela zu ; Lukas erzählte von der Ehe mit dem Engländer.
    »Wie alt wird sie sein? Anfang vierzig?«
    »Nicht ganz.«
    »Sie beunruhigt mich, um ganz ehrlich zu sein, wie alle Frauen, die einen Beruf, einen weiblichen Beruf haben. Ich weiß nie, ob ich sie beneiden soll oder nicht.«
    »Das geht ihr mit Ihnen genauso«, antwortete er.
    Nach einer Pause fragte sie:
    »Glauben Sie, daß sie noch einmal heiraten wird?« Lukas zog die Schultern hoch.
    »Ich wüßte nicht, wen.«
    »Ja, so ist das«, sagte sie nachdenklich. »Zu früh geheiratet, geschieden, Beruf. In der Selbständigkeit immer anspruchsvoller geworden, immer eigener und niemanden mehr gefunden...«
    Es klang wie ein Selbstgespräch. Lukas machte eine Entdeckung: Diese beiden Frauen, die blonde Daniela und sie, die Dunkle, waren aus demselben Holz und lebten die extremen Möglichkeiten der modernen Frau: Ehe ohne Aufgabe — Aufgabe ohne Ehe. Er wollte ihr gerade etwas Tröstliches sagen, daß sie den besseren Teil erwählt habe, denn die Ehe — zumal bei diesem wirtschaftlichen Hintergrund — hindere sie ja nicht, sich zu beschäftigen, wenn ihr danach sei, ohne den lähmenden Zwang, verdienen zu müssen, als von draußen ein gewollt munteres Summen die Rückkehr des Vielbeschäftigten meldete.
    »Du bist noch auf?« sagte er nähertretend, »guten Abend.«
    »Guten Abend.«
    »Natürlich. Ich habe auf dich gewartet.«
    Dümmlich-feminin, wie dem Herrenjournal entstiegen, stand er vor ihr und musterte sie mißbilligend.
    »Was hast du denn an?«
    »Etwas Bequemes.«
    Er beugte sich herab und küßte sie auf die Stirn.
    Sie hielt ihn am Arm fest: »Du riechst so merkwürdig.«
    »Ich? Nach Rauch höchstwahrscheinlich. Wir waren noch im >Alhambra<, die Herren wollten ein bißchen Ablenkung.« Er stützte sich auf den Kopf des Verkündigungsengels. »Zauberhaftes kubanisches Ballett dort! Müssen Sie sich ansehen, Herr Dornberg! — War genau das Richtige für Hoeppke. Hat sich sehr erkundigt nach dir. Soll dich besonders herzlich grüßen. Er lädt uns zu seiner nächsten Safari ein. Hat noch einen herrlichen Witz mitgebracht. Muß ich dir erzählen, nachher. Erinnere mich daran
    Ohne den Doppelreiher zu öffnen, setzte er sich in den Barockfauteuil, entzündete eine Zigarette und erging sich bei gespreizter Überbetonung modischer Adjektive, wie »toll«, »phantastisch«, über ein besonders wahnsinnig luxuriöses Hotel in Bangui, das sie auf der Safari unbedingt besuchen müßten, da es alle europäischen Vorstellungen übertreffe. Lukas beobachtete, wie er mit immer gleicher Bewegung seiner plumpen Hände die Worte unterstrich, eine Bewegung, die sie längst nicht mehr wahrzunehmen schien. Endlich war Alfredo fertig und sah auf die Uhr.
    »Mein Gott, schon zwei! Ich habe morgen einen besonders anstrengenden Tag.«
    Er stand auf und lächelte Lukas zu. Frau Müller-Passavant schritt zur Tür.
    »Gute Nacht, Herr Dornberg«, sagte sie kühl.
    »Gute Nacht.«
    Lukas folgte an Alfredos Seite.
    »Ich möchte mich nochmal für die Karte bedanken.«
    »Aber ich bitte Sie«, modulierte Alfredo in einen jovialkameradschaftlichen Ton. »Sie haben doch mir einen Gefallen getan damit. Meine Frau ist nun sehr für Bach und so... gewiß, ich habe auch nichts gegen klassische Musik, aber wenn ich schon mal dazu komme, dann doch lieber was Beschwingtes...« Er hob die Hand zu rhythmischer Geste und stimmte den Kehrreim des bekannten Operettenliedes an, demzufolge das Studium der Weiber so schwer sein soll:
    »Lalala, lalala, lalalaaa... aber wenn Ihnen das andere gefällt, können wir das öfter machen.«
    Und er klopfte Lukas verbindlich auf die Schulter.

    Es gibt eine Jahreszeit, in der sich die Menschen, statt ihrer wahren Freunde, plötzlich ihrer Verwandten entsinnen. Termingerecht lassen sie einander Güte und Liebe zukommen, pauschal für das ganze nächste Jahr. Menschen, die sich sonst nie sehen, einander nicht länger als drei Tage ertragen würden, sinken sich strahlend in die Arme, nur weil sie miteinander verwandt sind. — Inferno der Nächstenliebe.
    Lukas

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