Bel Ami
machte schon Krach. Mit ein bisschen Geduld fummelte ich den Schlüssel ins Schloss und öffnete die Haustür. Ich wankte nach oben, zog mich im Dunkeln aus und ließ mich erschöpft ins Bett fallen. Die letzten Wochen hatten mich geschlaucht. Ich war auch nicht mehr der Jüngste. Und während ich mal wieder bis zum Umfallen geschuftet hatte, um unser Geld zu retten, schlief meine Frau hier neben mir den Schlaf der Gerechten. Allerdings nicht sehr lange, denn nach einer gefühlten Minute weckte sie mich ziemlich unsanft wieder auf.
»Detlef, irgendjemand ist an der Tür. Ich habe Angst!«
»Herrgott nochmal, Simone, siehst du nicht, dass ich total erschossen bin? Außerdem höre ich gar nichts. Geh doch einfach selber runter und sieh nach!«
»Und wenn es Einbrecher sind?«
»Kann ich mir nicht vorstellen!«, murmelte ich ins Kissen und drehte mich wieder um. Ich hörte eine Treppenstufe knarren und wusste, dass meine Frau den letzten Absatz erreicht hatte. Alles blieb ruhig, und ich schlief wieder ein. Plötzlich wurde mir die Bettdecke weggerissen. Ich rappelte mich hoch und schaute ungläubig in diverse Gewehrmündungen, die auf mich gerichtet waren. Das Deckenlicht war eingeschaltet, ich konnte jede Einzelheit scharf erkennen, und trotzdem begriff ich es nicht. Die Männer waren schwarz maskiert und sahen aus, als wären sie aus einem Gangsterfilm entsprungen. Sie schrien auf mich ein, wollten irgendwas von mir. Ich verstand noch immer nichts. Wo war Simone ? Aufstehen, Hände hinter den Kopf und Gesicht zur Wand! Sofort! Einer der Kerle riss mich nach oben und drehte mich zur Wand. Jonas schien aufgewacht zu sein und hatte angefangen zu weinen. Der Junge war inzwischen zu alt, und normalerweise hätte ich mich über das Geheule aufgeregt. Aber das hier war nicht normal. Zumal ich selbst zu weinen anfing.
»Herr Uhlmann, Sie sind verhaftet wegen des dringenden Tatverdachts der Steuerhinterziehung!«, sagte jemand hinter mir. Meine Arme wurden auf den Rücken gedreht, dann vernahm ich das Klicken der Handschellen. Im Pyjama und barfuß führte man mich die Treppe hinunter. Die Haustür stand offen, überall waren Polizisten und Männer vom SEK im Vollschutz. Ein Herr stellte sich mir vor, Steuerfahndung, neben ihm ein Staatsanwalt. Wir lesen Ihnen jetzt Ihre Rechte vor … Noch immer wollte ich nicht wahrhaben, was hier passierte.
»Das muss ein Versehen sein. Ich bin doch kein Krimineller. Hören Sie mir zu! Ich habe nichts getan!«
An meiner Frau und meinem Sohn vorbei wurde ich zum Ausgang gestoßen. Simone hielt den schluchzenden Jonas an ihre Brust gedrückt und starrte mich fassungslos an.
»Jonas, das ist alles ein Irrtum!«, rief ich.
Er schaute auf den Boden.
»Simone! Bitte!«
Dann wurde die Tür geschlossen.
Epilog
Als er aufwacht, scheint die Sonne. Sie geht das alles nichts an. Sie hat nichts verbrochen. Aber er doch auch nicht! Wie kann man ihn bloß mit tätowierten Typen, die Autos gestohlen, ihre Frauen verprügelt oder noch Schlimmeres getan haben, in eine Zelle stecken?
»Flennt der Alte schon wieder?«
»Besser er flennt, als wenn er furzt wie du!«
Einer der Männer grunzt oder lacht, was auf dasselbe hinausläuft.
Der Mann, der mit Ministern, Hollywood-Stars und Bankdirektoren gefeiert hat, dreht sich um und drückt sein Gesicht in ein Kissen, das nach Eintopf riecht. Noch fünf Minuten, bis die Morgenroutine beginnt, an die er sich langsam gewöhnt.
Simones Anwalt hat es endlich geschafft, ihn in den offenen Vollzug zu bekommen. Heute Nachmittag wird er dieses Zimmer verlassen und in einen anderen Gebäudetrakt verlegt werden. Morgen früh um neun, zum ersten Mal nach drei Monaten, wird er in einem Taxi sitzen und nach Hause fahren. Nach Hause. Seit er hier drin ist, hat das eine völlig neue Bedeutung bekommen. Er erinnert sich daran, wie oft es ihn angeödet hat, nach Hause zu fahren, wie häufig er sich fremd und manchmal sogar überflüssig vorgekommen ist. Jetzt ist es der einzige Ort, an dem er sein will. Für immer.
Er trägt einen Anzug von Versace und unter dem Arm eine Ledertasche von Bugatti. Für acht Stunden wird er Detlef Uhlmann sein. Dann wird ihn das Taxi zurück nach Moabit bringen, er wird Kaschmir wieder gegen Baumwolle tauschen, sein Handy abgeben und darauf warten, dass ein Beamter die Tür auf- und wieder zuschließt. Noch nicht!
Er schließt die Augen und atmet tief ein. Die warme Luft riecht nach Rosen und frisch gemähtem Gras. Am wolkenlosen
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