Bel Ami
Himmel fliegen zwei Schwäne lautlos Richtung See. Er ist wieder da.
Er steht vor seiner Haustür und greift in seine Tasche. Ungewöhnlich für einen Mann, dass er einen Taschenspiegel bei sich trägt. Aber er ist kein gewöhnlicher Mann, und er führt kein gewöhnliches Leben. Der Spiegel bestätigt ihm, dass er gut aussieht. Sehr gut sogar für sein Alter. Sein Handy klingelt und hindert ihn daran, die Tür zu öffnen. Er führt ein Gespräch, wie er schon Tausende geführt hat, energisch, lautstark und selbstbewusst. Er geht um das Haus herum, spricht und lacht, weicht dem Kinderfahrrad aus, das er nicht gekauft hat, wendet bei den Rosen, die er nicht beschnitten hat, und beendet das Gespräch, als seine Familie über den Rasen auf ihn zukommt. So heftig überflutet ihn die Liebe zu sich und ihnen und dem Leben, dass die Tränen aufsteigen, diese Verräter seiner Gefühle. Er betrachtet seine Frau und findet sie nicht mehr wirklich schön. Alt ist sie geworden, ungepflegt und müde sieht sie aus. Er schließt sie in die Arme und schämt sich. Sie wird sich doch noch ein bisschen zurechtmachen? Er hat einen Ausflug geplant, mit ihr und dem Sohn an diesem herrlichen Sommertag. Ihm bleiben nur wenige Stunden, und es zieht ihn ins Grüne, dorthin, wo es noch schöner, noch grüner ist. Nur das Beste!, hat er ihr versprochen, und sie trägt Jeans.
Die Fahrt ist wunderbar. Das Seitenfenster ist geöffnet, und lauer Wind spielt in seinen Haaren. Er fährt zu schnell, und er weiß es. Er hat keine Angst, hat sie nie gehabt, er genießt es, schnell unterwegs zu sein.
Simone trägt ein weißes Kleid und hat ihre Hand auf sein Knie gelegt. Halte mal dort drüben. Auch er hat diesen Platz gesehen und will eine Pause. Er drosselt die Geschwindigkeit, fährt ihren Jaguar auf die Wiese und parkt ihn zwischen Mohn und Margariten. Aus dem Kofferraum holt er eine Kühlbox und gratuliert sich. Er liebt Überraschungen. Eine Flasche Dom Perignon und zwei beschlagene Champagnergläser sind darin, für ihn und seine schöne Frau. Das Kind will ein Eis. Später. Später ganz bestimmt. Simone freut sich. Ist das ein Rotkehlchen? Nein, sagt sie und zeigt auf das Haus am Ende der Wiese. Wie gefällt es dir?, fragt sie und das Kind quengelt. Warum hat er keine Decke mitgenommen? Er würde sich gern setzen, traut sich aber nicht. Was ist mit dem Haus? Was ist mit meinem Eis?
»Es steht leer …«, sagt sie und lächelt ihn an. Und plötzlich weiß er, was sie sagen, ihm vorschlagen und wie die Zukunft aussehen wird:
»… und wir könnten es mieten, ein neues Bel Ami !«
Detlef Uhlmann
Simone und Detlef Uhlmann
Angelina, hier zu sehen, hat für das Bel Ami ausschließlich als Fotomodel und Barkeeperin gearbeitet.
© alle Fotos Gerd Uwe Hauth
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