Bélas Sünden
Meta trennte. Darüber hatte ich noch nicht ernsthaft nachgedacht. Als ich damit begann: Da waren drei kleine Kinder und eine Frau, die auf lange Jahre nicht zurück in ihren Beruf konnte. Nach einer Scheidung würde Heinz nur noch für den Unterhalt arbeiten. Ich hatte mein gutes Auskommen, aber das hatte ich nur, weil meine Tochter von seiner Frau betreut wurde. Es gab kein Argument, das für ein Zusammenleben mit Heinz sprach. Ich mochte ihn sehr, liebte ihn sogar, aber nicht genug, um Opfer für ihn zu bringen. Wir gingen noch einmal aus, sprachen über seine Gefühle. Dass er seine Kinder liebte, die Älteste ein bisschen mehr als die beiden anderen, weil sie von ihm auch die fehlende Mutterliebe bekommen musste. Dass er auch Meta liebte, immer noch. Und mich mochte er. Ich war die, bei der er sich fühlte wie in alten Zeiten. Ich war seine Entspannung zweimal die Woche.
Dann sprachen wir über mich. Dass ich mich zeitweise sehr mies fühlte als Dauergeliebte, dass ich Meta gegenüber permanent ein schlechtes Gewissen hatte. Dass ich mir schäbig vorkam, weil ich nicht einmal im Traum daran dachte, ihn zur Scheidung zu überreden. Dass es, wenn ich ganz ehrlich war, von meiner Seite aus vielleicht seit langem eine Art von Gewohnheit war. Wir tanzten noch einmal, fuhren heim, gingen zusammen in meine Wohnung. Wir schliefen miteinander, wie wir es in all den Jahren getan hatten. Als Heinz ging, sagte er:
»Aber Freunde bleiben wir. Einverstanden?«
Das war vor zwölf Jahren, und wir blieben gute Freunde. Zuerst blieben wir sogar noch etwas mehr. Ich begann, an dem einen Wochenende im Monat, das Sonja bei meinen Eltern verbrachte, zusammen mit zwei Kolleginnen ins Kino zu gehen, anschließend noch auf ein Bier in ein nettes Lokal. Oder wir fuhren nach Köln, versuchten unser Glück in einer der urigen Altstadtkneipen oder in einer supermodernen Disco. Manchmal nahm ich jemanden mit in meine Wohnung. Meist waren es Samstagabendaffären. Zweimal zog sich solch eine Sache über ein paar Wochen hin. Wenn es vorbei war, wartete Heinz schon darauf, mich zu trösten.
Manchmal war ich erleichtert, manchmal wehrte ich mich dagegen, manchmal dachte ich, ich käme nie von ihm los. Und dann sah es plötzlich auch noch so aus, als sei jeder andere ein unabwägbares Risiko. Ich lernte einen Mann kennen, ein gut aussehender Typ, Mitte dreißig, tolle Figur und nicht so dämlich wie die meisten. Was die gepflegte Konversation anging, konnte Heinz ihm nicht das Wasser reichen. Ich traf ihn in einer dieser Bars in der Kölner Altstadt, wir unterhielten uns schon am ersten Abend ausgezeichnet. Meine Kolleginnen verabschiedeten sich, ich blieb noch. Es wurde zwei, es wurde später. Um vier brachte er mich hinaus zu meinem Wagen. Dann kam die Frage:
»Sehe ich dich wieder?« Am nächsten Wochenende fuhr ich allein nach Köln. Meta hatte versprochen, ab und zu nach Sonja zu schauen, auch wenn sie es mir übel nahm, dass ich mich mit einem fremden Mann treffen wollte. Ich traf ihn wieder in der gleichen Bar. Als er mich in der Nacht zum Wagen brachte, gab es den ersten Kuss. Es war wie ein erlesenes Menü nach langen Jahren der Hausmannskost.
Das ist gemein, ich weiß. Ich war immer zufrieden gewesen mit Heinz und oft genug dankbar, dass er keine Ansprüche stellte, nur da war, wenn ich ihn brauchte. Aber plötzlich dachte ich, dass ich bis dahin doch kaum Vergleichsmöglichkeiten gehabt hätte, nur Karl-Josef. Und dann so ein Mann. Meine Knie zitterten noch, da war ich bereits auf der Autobahn. Das war er, das musste er sein. Das jungenhaft Unbekümmerte, das ich anfangs an Heinz so geliebt hatte, fehlte. Zum Ausgleich hatte er die doppelte Portion Charme und Einfühlungsvermögen.
Nach drei weiteren Wochenenden tauchte endlich die Frage auf, gehen wir zu dir oder zu mir. Zu mir wäre der längere Weg gewesen, und da schlief Sonja, also zu ihm.
Er hatte ein schickes Apartment mit Rheinblick, phantastisch eingerichtet. Es sah nach sehr viel Geld und sehr viel Geschmack aus. Es gab noch einen Drink und stimmungsvolle Musik. Er ließ sich Zeit. Erst noch ein Tanz vor dem Couchtisch, und der war bestimmt nicht von Ikea. Seine Hand im Rücken, seine Lippen am Hals, das heiser und langsam erregter werdende Flüstern am Ohr. Ein Viertelstündchen auf der Couch. Er küsste, als müsse er damit olympisches Gold holen. Ich bekam gar nicht mit, dass ich dabei meine Bluse und den Rock los wurde. Dann stand er plötzlich auf. Ich nahm an, er
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