Bélas Sünden
uns nicht zu schnell in die Luft jagte. Dann lagen wir auf dem Fußboden, keinen Atem mehr, aber ein paar Muskeln zuckten noch. »Willst du noch mehr, Liska?«
»Hast du noch mehr?«
Er schaute an sich hinunter. Und alles begann von vorne.
Als ich heimkam, war es eins vorbei. Ich fiel ins Bett wie ein Stein, war am nächsten Morgen noch halb tot.
Beim Frühstück fragte Sonja, ob ich krank sei. »Nein, es geht mir wunderbar. Ich bin nur ein bisschen müde. Heute Abend gehe ich früh ins Bett.«
An dem Abend spielte Béla auf einem Betriebsfest, am nächsten bei einer Hochzeit, am übernächsten bei einem Jubiläum. Und dann war Samstag. Auf die beiden Abende in seinem kleinen Zimmer folgten noch weitere, in unregelmäßigem Abstand. Er war ein gefragter Mann. Hochzeiten, das waren Tage, an denen wir uns gar nicht sehen konnten. Betriebsfeste, da wurde es auch meist zu spät. Geburtstagsfeiern, wenn ich Glück hatte, war es ein Kindergeburtstag. Doch das kam selten vor. Zu einem Kindergeburtstag engagiert man einen Clown oder einen Zauberer, nur in Ausnahmefällen einen Musiker. In solchen Ausnahmefällen traf Béla meist gegen zehn am Abend in dem kleinen, baufälligen Häuschen ein. Bis dahin saß ich im Wohnzimmer seiner Vermieterin und schaute der alten Frau beim Stricken oder Häkeln zu.
Hinauf in Bélas Zimmer ließ sie mich nie, wenn er nicht da war. Und zum vereinbarten Zeitpunkt war er nur selten da. Es war nicht seine Schuld. Wenn er mit den Leuten vereinbart hatte, bis acht zu spielen, konnte es neun werden. »Ich kann nicht einfach einpacken, Liska«, sagte er. »Dann empfehlen sie mich nicht weiter.« Wenn er weite Strecken zu fahren hatte, gab es auch mal einen Verkehrsstau unterwegs. Und manchmal war er nachmittags bei Andreas im Studio gewesen, dann hatten sie diskutiert, probiert, experimentiert und darüber die Zeit vergessen. Ich fragte mich dann wohl, was es zu probieren gab, wenn Béla doch nicht daran dachte, auf Andreas’ verlockend klingende Vorschläge einzugehen. Aber wenn er kam, waren solche Fragen schnell vergessen. Es war eine wunderschöne und verrückte Zeit. Wenn ich bei ihm war, selten genug, vergaß ich, dass Sonja allein in unserer Wohnung schlief und am nächsten Morgen um sechs der Wecker für mich klingelte. Ich vergaß auch, dass ich am nächsten Tag meinen Kopf beisammenhalten musste. Was interessierte es mich noch, ob die Kasse stimmte, wenn ich ihn fühlte. Und wenn ich ging, wusste ich nie, wann ich ihn wieder sah. Ein paar Mal fuhr ich samstags in das Lokal, saß an einem der kleinen Tische und wartete darauf, dass es eins wurde. Dann trank ich mit Béla und seinen Freunden noch einen Kaffee. Manchmal stieß Werners Frau dazu, manchmal brachte sie ihre Freundin Gisela mit, die sich redlich Mühe gab, mit Andreas zu flirten.
Nachdem ich ihn erst näher kennen gelernt hatte, war Andreas mir durchaus sympathisch. Es war jedenfalls ein besseres Gefühl, mit ihm an einem Tisch zu sitzen, als Meta gegenüber ein schlechtes Gewissen zu haben. An dem Tisch war ich die Frau, es war mein Recht, mit einem Mann zu schlafen. Da hatte ich nicht das Gefühl, mich in eine Beziehung zu drängen, in der ich nichts zu suchen hatte. Wir sprachen einmal darüber – nach ein paar Wochen. Ich hatte Angst, das Thema überhaupt anzuschneiden, fürchtete, Béla zu verletzen oder ausgelacht zu werden. Aber er erklärte mir in aller Unbefangenheit, wie das war. Eine Frau zu lieben oder einen Mann zu lieben, da war ein großer Unterschied. Eine Frau, das war eine Sache fürs Leben, ein Mann, das waren nur Augenblicke von Gemeinsamkeit. Und die auch nur mit Andreas, andere Männer interessierten Béla nicht. »Stört er dich, Liska?« Ich schüttelte den Kopf. Das fand Béla sehr schön, ich störte Andreas nämlich auch nicht. Trotzdem zog ich es nach diesem Gespräch vor, am Samstagabend daheim zu bleiben und an meinen Privatmanuskript zu schreiben. Dann kam Weihnachten. Heiligabend und den ersten Feiertag waren Sonja und ich bei meinen Eltern. Béla feierte mit Andreas. Für den zweiten Feiertag hatte ich ihn eingeladen. Ich hatte ihm mit einem flauen Gefühl im Magen von Sonja erzählt und ihr von ihm. Béla sagte:
»Ich mag Kinder, Liska. Eines Tages werde ich viele Kinder haben.« Mir reichte eins. Sonja war skeptisch. »Willst du den Mann heiraten, Mutti?«
»So lange kenne ich ihn ja noch nicht.«
Er kam pünktlich um drei, in Jeans und Pullover. Sonja hatte zur Feier des Tages ihr
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