Bélas Sünden
»Seine Frau arbeitet für uns«, sagte ich. Ja, so weit hatten wir es gebracht. Meine Putzfrau und ich. Nicht genug damit, dass Meta mir ihren Mann für runde sieben Jahre als Trost in einsamen Stunden abgetreten, dass sie sich jahrelang um meine Tochter gekümmert hatte, damit ich Geld verdienen konnte. Jetzt machte sie auch noch meinen Dreck weg. Als wir vor zwei Jahren das Musikstübchen eröffneten, fragte sie mich nach der Putzstelle. Recht war es mir nicht, ich hatte ihr gegenüber in dieser Hinsicht große Hemmungen und zählte ihr ein paar von meinen Gründen auf. Meta sah das anders.
»Red doch keinen Quatsch! Zwischen uns beiden ist nie etwas gewesen, worüber ich mich aufgeregt hätte. Gelitten habe ich auch nicht. Und ich hatte nie das Gefühl, von dir ausgenutzt zu werden. Also, was soll’s. Du brauchst eine Putzfrau, Lisa, und ich brauche das Geld.«
Das brauchte sie wirklich, Heinz hatte sich mit der Zeit, zusätzlich zum Motorrad, noch ein zweites und kostspieliges Hobby zugelegt, seine älteste Tochter, den Goldfasan im Hühnerhof, dem er jeden Wunsch von den Augen ablas. Weil er im Gegenzug von Marion bekam, was wir alle brauchen, Bewunderung, Anerkennung und Liebe. Papa, der starke Mann, der einsame Wolf, dem Marion dann von Zeit zu Zeit das Fell über die Ohren zog. Es war ihr nicht allzu gut bekommen, von Heinz dermaßen verwöhnt und bevorzugt zu werden. Die Ansprüche wuchsen genauso wie Marion selbst. Mit acht Jahren hatte sie erklärt, dass sie Papa eines Tages heiraten werde. Und dabei spielte sie mit der Puppe, die er ihr zum Geburtstag geschenkt hatte, die laufen, sprechen und das Höschen nass machen konnte, schon einmal vorab Vater- Mutter-Kind. Mit vierzehn behauptete Marion immer noch, für sie käme nur ein Mann infrage, wie Papa einer war. Aber da musste es zu Weihnachten schon eine komplette Wintergarderobe sein. Und kein billiges Zeug aus der Kaufhalle. Aber mehr als das, was sie von Heinz bekam, hatte Marion auch nie gehabt. Meta behandelte das Mädchen mit einer besonderen Art von Gehässigkeit, ging in der Fürsorge für die beiden Jüngsten auf, tat häufig so, als ob die Älteste nicht existiere, beklagte sich jedoch regelmäßig, dass Heinz es Marion »hinten und vorne zusteckte«
und für den Rest der Familie kaum etwas übrig blieb.
»Wenn ich nicht putzen ginge…«
Als sie mich um die Putzstelle bat, hatte sie noch die feste Anstellung in der Grundschule. Und ich begriff nicht, warum sie die aufgeben wollte.
»Da bin ich den ganzen Nachmittag weg«, sagte sie.
»Morgens zu arbeiten, wäre mir lieber. Da sind die Kinder in der Schule. Das ist ein Grund. Der andere ist, die Schule zahlt schlecht. Das lohnt sich kaum.«
Ich fragte, warum sie nicht in ihren Beruf zurückging.
»Du bist eine ausgebildete Krankenschwester, Meta, und überall suchen sie händeringend nach Pflegepersonal. Du könntest viel mehr verdienen als mit einer Putzstelle.«
Sie winkte ab.
»Das bringe ich nicht mehr. Ich bin zu lange draußen. Außerdem, Schichtarbeit. Ich müsste ja auch wieder Nachtschicht machen. Ich kann doch die Kinder nachts nicht allein lassen.«
Dass auch die Jüngsten zu dem Zeitpunkt schon keine Kinder mehr waren, Susanne war vierzehn, Anika dreizehn, sah Meta nicht oder wollte es nicht sehen. Sie war eine Glucke und würde sich niemals ändern, dachte ich. Seitdem putzte sie für uns, zuerst nur das Lokal, später auch die Wohnung. Und jetzt lag ihr Mann tot in meinem Schlafzimmer. Der alte Dussing schüttelte fassungslos den Kopf und murmelte:
»Das gibt’s doch nicht, der Heinz?!«
In meinem Kopf verwischte sich erneut alles. Es war hirnrissig, ich dachte trotzdem unentwegt den Satz, den ich in der vergangenen Nacht zu Dierk Römer gesagt hatte.
»Du kennst ihn nicht.«
Damit hatte ich gemeint, dass Dierk nicht beurteilen konnte, wie mir zumute war, wenn ich Béla gegenüberstand. Dass ich es niemals schaffen würde, in Bélas Augen zu sehen und dabei zu erklären:
»Es hat keinen Sinn mehr mit uns.«
Dass Béla mich nur in die Arme nehmen musste, um alle guten Vorsätze und alle Vernunft zunichte zu machen. Aber sie kannten sich wirklich nicht, waren sich nie begegnet, ich hatte nie ein Foto gezeigt. Irgendwann war Dierk jedoch beim Lesen meiner Geschichten darüber gestolpert.
»Ist dir schon mal aufgefallen, dass du immer den gleichen Typ Mann beschreibst, Lisa? Dunkles, lockiges Haar und so weiter.«
Auch Heinz war dieser Typ. Gewesen! Eine
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