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Bélas Sünden

Bélas Sünden

Titel: Bélas Sünden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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Türöffner summte nach höchstens fünf Sekunden. Meta empfing uns im Nachthemd, mit nachlässig übergeworfenem Bademantel, aus dem überall lose Fäden heraushingen, in der offenen Wohnungstür stehend. Das Nachhemd reichte ihr bis auf die Waden. Es war aus einem dünnen, verwaschenen Stoff, Streublümchen auf ehemals rosafarbenem Untergrund, sackartig geschnitten und uralt. Die Blümchen waren kaum noch zu erkennen, die rosa Farbe vom Waschen grau geworden. Während der Fahrt hatte ich mir vorgestellt, dass die Polizisten erst einmal mich reden ließen. Was ich Meta sagen wollte, hatte ich mir zurechtgelegt. Wie ich es sagen musste, damit es nach Anteilnahme klang. Aber als ich ihr gegenüberstand, hatte ich keine Anteilnahme, nicht für sie. Ich hatte nur das Bedürfnis, sie windelweich zu prügeln für das armselige Leben, das Heinz an ihrer Seite gehabt hatte. Sie überließen mir das Reden tatsächlich, zumindest die ersten Worte. Als Offermann mein erbärmliches Stottern hörte, schaltete er sich ein.
    »Frau Böhring, wir sind von der Kriminalpolizei.«
    Meta stand da wie zur Salzsäule erstarrt, das graue und in letzter Zeit aufgeschwemmte Gesicht völlig ausdruckslos.
    »Haben Sie mich verstanden, Frau Böhring?«, fragte Offermann und zückte seinen Dienstausweis. Meta deutete ein Nicken an und trat einen Schritt zurück in den Flur. Es roch nach Sauerkraut, ein kalter, abgestandener Geruch. An den Wänden hingen noch die alten Fotos. Heinz als junger Mann neben der schweren Maschine eines Freundes, im Karatedress und mit Boxhandschuhen in Siegerpose. Offermann betrachtete die Galerie mit sichtlichem Interesse, auch sein Kollege schaute sich die Bilder im Vorbeigehen an. Ich konnte nicht einmal weinen. Meta schlurfte in ausgetretenen Gesundheitslatschen vor uns her auf das Wohnzimmer zu. Noch bevor sie es erreichte, wurde eine der anderen Zimmertüren geöffnet. Marion steckte den Kopf in den Flur. Sie sah aus, als hätte sie geweint. Die Nase war rot und geschwollen, die Augenlider ebenfalls. Warum sie geweint hatte, musste man nicht fragen. Ihre Unterlippe war aufgeplatzt, auf der linken Wange hatte sie eine tüchtige Schwellung, die sich bis zum Auge hinaufzog. Da hatte jemand kräftig ausgeholt. Wahrscheinlich hatte sie wieder Krach mit Meta gehabt, und Heinz war nicht da gewesen, um ihr beizustehen. Er würde auch nie mehr für sie da sein. Marions Augen gingen von einem zum anderen, registrierten die beiden Männer und wurden etwas weiter, blieben kurz an mir haften und richteten sich dann auf Meta. In der Stimme schwang noch das Schluchzen mit.
    »Was ist denn los, Mama?«
    Dann, hysterischer, was angesichts der Uhrzeit, der beiden fremden Männer und ihrer dienstlichen Mienen wohl berechtigt war:
    »Ist was mit Papa?«
    »Geh wieder ins Bett«, sagte Meta im Vorbeigehen. Es klang teilnahmslos und gleichzeitig drohend. Marion schloss die Tür tatsächlich wieder. Ich hörte sie laut aufschluchzen. Dann saßen wir zu viert im Wohnzimmer. Die Einrichtung war noch dieselbe wie vor achtzehn Jahren. Verwohnt, verschlissen, schäbig und armselig. Und ich saß da in einem Sessel mit dem Nerzmantel im Schoß. Das letzte Kapitel im neuen Roman:
    »Meine Putzfrau und ich!«
    Offermann saß im zweiten Sessel und betrachtete die Wetzspuren auf der Armlehne, die die Familienkatze dort im Laufe der Jahre hinterlassen hatte. Noch ein Beweis für die Feindseligkeit und den Kleinkrieg, der nicht mit Worten ausgetragen werden konnte, weil man sich irgendwann nichts mehr zu sagen hatte. Vor ein paar Jahren hatte Heinz sich einen Vogel gekauft, einen Beo. Ein äußerst redegewandter kleiner Komiker, er begrüßte jeden, der ins Zimmer kam. Und er sagte nicht einfach guten Tag, er erkundigte sich höflich:
    »Wie geht es Ihnen?«
    Antwortete auch gleich:
    »Danke, bestens.«
    Und dabei hüpfte er außen auf seinem Bauer herum, bewegte den Kopf, als ob er sich verbeugte. Außerdem kommentierte er die Werbespots im Fernsehen.
    »Was ’n Quatsch.«
    Man verstand ihn sehr gut. Heinz gab sich viel Mühe mit ihm, brachte ihm auch ein paar Sätze bei, die Meta nicht gefielen. Da fand Meta, dass die Kinder auch ein Tier brauchten, und holte einen ausgewachsenen Kater aus dem Tierheim. Heinz durfte es nicht mehr riskieren, den Vogel aus dem Bauer zu lassen. Aber der Beo war nicht daran gewöhnt, eingesperrt zu sein. Er zeterte und schimpfte von früh bis spät:
    »Was ’n Quatsch.«
    Heinz verschenkte ihn schließlich an

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