Bélas Sünden
mir.
»Alles kommt ans Licht der Sonne.«
Offermann betrachtete mich mit undurchdringlichem Blick.
»Ich habe einen früheren Zug bekommen«, erklärte ich rasch.
»Darf ich mal telefonieren, Meta?«
Meine Handtasche, in der das Handy steckte, hatte ich in der Aufregung im Lokal liegen lassen. Meta zeigte stumm auf die Tür zum Flur. Ich hatte das Gefühl, dass ich mich auf sehr dünnem Eis bewegte. Aber noch hielt es. Béla war nicht daheim gewesen, als Heinz in die Wohnung kam. Béla hatte die Wohnung um sieben, kurz nach meinem Anruf, verlassen, um zu Andreas zu fahren. Béla konnte nicht geschossen haben. Er saß seit dem frühen Abend bei seinem Freund. Daran klammerte ich mich. Es war halb eins vorbei, noch reichlich Zeit, ehe Béla aufbrechen müsste, um mich vom Bahnhof abzuholen. Ein Handy besaß er nicht. Die Nummer von Andreas kannte ich auswendig. Nachdem ich gewählt hatte, ertönte das Freizeichen, dreimal, viermal. Im Wohnzimmer verlangte Offermann, Meta solle ihre Töchter wecken, damit er ihnen ein paar Fragen stellen könne. Meta protestierte, während sich eine verschlafene Frauenstimme am anderen Ende der Leitung meldete.
»Gisela, hier ist Lisa«, sagte ich. Wie ich Béla mein verfrühtes Eintreffen daheim erklären sollte, wusste ich noch nicht. Mir würde schon etwas einfallen, vielleicht ging es auch im allgemeinen Wirbel unter.
»Kann ich Béla sprechen?«
»Er ist nicht hier.«
»Ist er schon zum Bahnhof gefahren?«
»Nein, er war gar nicht hier.«
Zwei Sekunden für den Absturz, hinauf kam ich so schnell nicht wieder. Nachdem ich mich für die späte Störung entschuldigt und aufgelegt hatte, stand ich nur da. Im Wohnzimmer erklärte Meta, dass sie nicht vorhatte, ihre Kinder mitten in der Nacht aus dem Schlaf zu reißen und von der Kriminalpolizei befragen zu lassen. Offermann hielt dagegen, das Mädchen mit den blonden Haaren sei doch kein Kind mehr. Und da es bereits nach dem Vater gefragt habe, müsse man es nicht aus dem Schlaf reißen. Außerdem interessierte ihn Marions zerschlagenes Gesicht.
»Ich hab ihr eine runtergehauen«, erklärte Meta ruhig.
»Können auch zwei oder drei gewesen sein. Ich hatte ihr gesagt, sie soll um halb elf zu Hause sein, und sie kam um halb zwölf. Mehr kann sie Ihnen auch nicht sagen. Sie war im Kino, weiß nicht mal, wann ihr Vater gegangen ist. Da war sie nämlich schon weg. Ich habe doch eben gesagt, sie hat um sieben das Paket aus der Reinigung zu Lisa gebracht. Das hat sie auf einem Weg erledigt.«
Ihre Stimme klang nicht mehr so mechanisch wie zu Anfang, auch nicht mehr so traumverloren. Jetzt brach der Tiger durch. Wenn es um ihre Töchter ging, zeigte Meta die Krallen. Dass sie die für Marion zeigte, wunderte mich. Aber nur kurz, ich hatte nicht die Zeit, darüber nachzudenken, glaubte zu begreifen, was sich abgespielt hatte.
»Er war gar nicht hier«, hörte ich Gisela immer noch sagen. Natürlich nicht! Es war eine Ausrede gewesen, um Marion abzuwimmeln, die sonst vielleicht noch ein Weilchen geblieben wäre, weil die Kinovorstellung erst um acht begann.
»Manchmal denke ich«, flüsterte Heinz dicht neben mir,
»du hast überhaupt keine Ahnung…«
Doch, ich hatte eine, seit Wochen schon. Eine fürchterliche Ahnung, wer diesmal meine Rivalin war. Und von Heinz hatte ich das nicht erfahren, war selbst darauf gekommen. Langsam, Lisa, dachte ich, verlier jetzt nicht die Nerven. Dein Bett war benutzt! Sie waren in der Wohnung, Béla und seine neue Liebe, daran gibt es wohl nichts zu rütteln. Ruhetag, wahrscheinlich kam sie schon am Nachmittag. Sie ging unter die Dusche, öffnete das Fenster in deinem Bad, damit der Dunst abziehen konnte. Dann ging sie mit deinem Mann in dein Bett. Und plötzlich stand Marion mit den Sachen aus der Reinigung in der Diele. Sie hatte garantiert den Schlüssel bei sich und nicht klingeln müssen. Marion sah, wer bei Béla war. Anschließend ging sie zum Kino. Und dort traf sie sich vermutlich mit Heinz, der erst später zum Kino fuhr. Marion erzählte ihm… Weiter konnte ich nicht denken, weil nur noch ein Satz kam. Es ist vorbei. Aus und vorbei! Wir hatten viel überstanden, das konnten wir nicht überstehen, das nicht.
7. Kapitel
Und ich hatte geglaubt, nach Anita könne keine Krise mehr kommen, mit der wir nicht fertig würden. Als er damals zurückkam, sogar schneller als erwartet, vielleicht nicht ganz aus eigenem Antrieb, er hatte sich das wohl ganz anders vorgestellt, ein neues Leben mit
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