Bella und Edward, Band 4: Biss zum Ende der Nacht
würde. Trotzdem war das Brennen in meiner Kehle nur betäubt. Aber ich hatte ja gewusst, dass der Durst ein unvermeidlicher Bestandteil meines Lebens sein würde.
Und das war es wert.
Ich hatte das Gefühl, es im Griff zu haben. Vielleicht wiegte ich mich in falscher Sicherheit, aber ich war fest davon überzeugt, dass ich heute niemanden umbringen würde. Wenn ich schon völlig fremden Menschen widerstehen konnte, müsste ich dann nicht auch dem Werwolf und dem Halbvampirkind widerstehen können, die ich liebte?
»Ich will Renesmee sehen«, sagte ich. Jetzt, da mein Durst gezähmt war (wenn auch keineswegs gelöscht), waren meine Sorgen von vorhin wieder sehr lebendig. Ich wollte die Fremde, die meine Tochter war, mit dem Wesen, das ich noch vor drei Tagen geliebt hatte, in Einklang bringen. Es war so merkwürdig, so falsch, sie nicht mehr in mir zu tragen. Auf einmal fühlte ich mich leer und unwohl.
Er reichte mir eine Hand. Ich nahm sie, und seine Haut fühltesich wärmer an als zuvor. Seine Wangen hatten ein ganz bisschen Farbe, und die Schatten unter seinen Augen waren fast verschwunden.
Wieder einmal konnte ich nicht widerstehen, sein Gesicht zu streicheln. Und gleich noch mal.
Während ich in seine schimmernden goldenen Augen schaute, vergaà ich beinahe, dass er mir noch eine Antwort auf meine Bitte schuldig war.
Es fiel mir fast so schwer, wie vor dem Geruch des menschlichen Bluts zu fliehen, aber irgendwie schaffte ich es, mich daran zu erinnern, dass ich vorsichtig sein musste, als ich mich auf die Zehenspitzen stellte und die Arme um ihn legte. Sanft.
Er zögerte nicht, er schlang die Arme um meine Taille und zog mich fest an sich. Er presste die Lippen auf meine, doch sie fühlten sich weich an. Meine Lippen schmiegten sich nicht mehr um seine, wie früher, sie hielten ihnen stand.
Wie schon beim ersten Mal fühlte es sich so an, als würde er mit seiner Haut, seinen Lippen, seinen Händen meine harte glatte Haut durchdringen, bis in meine neuen Knochen hinein. Bis in mein Innerstes. Ich hätte nicht gedacht, dass ich ihn noch mehr lieben könnte als früher.
Früher war nicht genug Platz in mir gewesen für so viel Liebe. Mein altes Herz war nicht stark genug gewesen, um sie auszuhalten.
Vielleicht war das die Eigenschaft, die ich in meinem neuen Leben noch verstärken konnte. So wie es bei Carlisle das Mitgefühl war und bei Esme die Fürsorge. Ich würde wahrscheinlich nie irgendwas rasend Interessantes oder Besonderes können wie Edward, Alice oder Jasper. Vielleicht würde ich einfach nur Edward mehr lieben, als je in der Weltgeschichte jemand einen anderen geliebt hatte.
Damit konnte ich leben.
Einiges kannte ich noch von früher â die Finger in sein Haar zu wühlen, über seine Brust zu streichen â, doch anderes war so neu für mich. Er war neu. Es war ein ganz anderes Erlebnis, wenn er mich so sorglos küsste, so heftig. Ich küsste ihn ebenso heftig zurück, und da fielen wir plötzlich hin.
»Huch«, sagte ich und er lachte unter mir. »Ich wollte mich nicht so auf dich stürzen. Alles in Ordnung?«
Er streichelte mein Gesicht. »Ein wenig mehr als in Ordnung.« Und dann trat ein fragender Ausdruck auf sein Gesicht. »Renesmee?«, sagte er unsicher und versuchte herauszufinden, was ich mir in diesem Moment am meisten wünschte. Eine schwierige Frage, denn ich wollte so vieles auf einmal.
Ich merkte, dass er eigentlich nichts dagegen hatte, unsere Rückkehr noch ein wenig aufzuschieben, und es war schwer, an etwas anderes zu denken als an seine Haut auf meiner â von dem Kleid war nicht mehr viel übrig. Doch meine Erinnerung an Renesmee vor und nach der Geburt kam mir immer mehr wie ein Traum vor. Immer unwirklicher. All meine Erinnerungen an sie waren menschliche Erinnerungen; sie hatten etwas Unechtes an sich. Nichts, was ich nicht mit diesen Augen gesehen, mit diesen Händen berührt hatte, kam mir wahr vor.
Mit jedem Augenblick entfernte sich die kleine Fremde weiter aus der Wirklichkeit.
»Renesmee«, stimmte ich mit leisem Bedauern zu, sprang wieder auf die FüÃe und zog ihn mit.
V ersprochen
Als ich an Renesmee dachte, stand sie plötzlich im Mittelpunkt meines merkwürdigen neuen Denkens, das geräumig war und sich doch so leicht zerstreuen lieÃ. So viele Fragen.
»Erzähl mir von ihr«, sagte ich, als
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