Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Belladonna

Belladonna

Titel: Belladonna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Slaughter
Vom Netzwerk:
musste, um den Mittelpunkt des Kreuzes zu treffen. Seine Entscheidung hat also auch eine ästhetische Komponente. Zum anderen ist das Herz von Rippen und Knorpeln umgeben. Er hätte wiederholt
    -45-
    zustechen müssen, um da durchzukommen. Und damit hätte er die klare Kontur des Kreuzes verdorben, oder?» Sara pausierte.
    «Bei einer Verletzung des Herzens wäre eine große Menge Blut ausgetreten, und es wäre zudem mit beträchtlicher
    Geschwindigkeit hervorgesprudelt. Vielleicht hat er das vermeiden wollen.» Sie zuckte die Achseln, sah zu Jeffrey auf.
    «Ich denke, er hätte das Messer auch unter den Brustkorb und dann aufwärts führen können, wenn er das Herz hätte treffen wollen, aber das wäre ein Vabanquespiel gewesen.»
    «Willst du damit sagen, dass der Angreifer über gewisse medizinische Kenntnisse verfügt haben muss?»
    Sara fragte: «Weißt du, wo das Herz ist?»
    Er legte eine Hand auf die linke Brustseite.
    «Richtig. Und du weißt auch, dass sich deine Rippen nicht ganz in der Mitte treffen.»
    Er tippte mit den Fingern auf seine Brustmitte. «Was ist das hier?»
    «Das Sternum», antwortete sie. «Der Einstich sitzt jedoch tiefer. Und zwar im Schwertfortsatz. Ich kann nicht sagen, ob das reines Glück war oder beabsichtigt.»
    «Und das heißt?»
    «Das heißt, wenn du auf Teufel komm raus einer Person ein Kreuz in den Bauch schlitzen und dann ein Messer in die Mitte stoßen willst, dann wäre dies die beste Stelle, wenn du möchtest, dass das Messer auch tief eindringt. Das Sternum hat drei Teile», sagte sie und deutete auf ihre Brust, um es zu verdeutlichen. «Das Manubrium, der obere Teil, der
    Knochenkörper, der Hauptteil, und dann der Schwertfortsatz.
    Von den drei Teilen ist der Schwertfortsatz der weichste.
    Besonders bei jemandem in diesem Alter. Sie ist wie alt, Anfang dreißig?»
    «Dreiunddreißig.»
    -46-
    «So alt wie Tessa», flüsterte Sara, und eine Sekunde lang sah sie ihre Schwester vor sich. Doch dann löste sie sich von dem Gedanken an ihre Schwester und konzentrierte sich wieder auf den Leichnam. «Der Schwertfortsatz verkalkt mit zunehmendem Alter. Der Knorpel wird härter. Wenn ich also jemandem in die Brust stechen wollte, würde ich dort mein X machen.»
    «Vielleicht wollte er nicht in ihre Brüste stechen?»
    Sara überlegte. «Das hier scheint mir persönlicher zu sein.»
    Sie suchte nach den richtigen Worten. «Ich weiß nicht, ich würde eher denken, dass er ihre Brüste verletzen wollte.
    Verstehst du, was ich meine?»
    «Besonders wenn es sexuelle Motive gibt», meinte Jeffrey.
    «Ich meine, bei Vergewaltigungen geht es doch normalerweise um Macht, oder nicht? Es hat damit zu tun, dass jemand einen Zorn auf Frauen hat, dass er sie kontrollieren will. Warum sollte er sie also dort aufschlitzen und nicht an der Stelle, die sie zur Frau macht?»
    «Bei einer Vergewaltigung geht es auch um Penetration», entgegnete Sara. «Und das trifft hier zweifellos zu. Ein wuchtiger Einstich, der fast ungehindert in den Körper dringt.
    Ich glaube nicht -» Sie hielt inne, starrte auf die Wunde. Ihr kam ein neuer Gedanke. «Guter Gott», flüsterte sie.
    «Was ist denn?», fragte Jeffrey.
    Ein paar Sekunden lang bekam sie keinen Ton heraus. Sie hatte das Gefühl, als schnürte sich ihre Kehle zu.
    «Sara?»
    Ein Piepton erfüllte den Sektionssaal. Jeffrey schaute auf seinem Pager nach. «Das kann Lena nicht sein», sagte er. «Darf ich mal das Telefon benutzen?»
    «Sicher.» Sara kreuzte die Arme, wohl aus dem Bedürfnis, sich vor den eigenen Gedanken zu schützen. Sie wartete, bis Jeffrey hinter ihrem Schreibtisch Platz genommen hatte, und
    -47-
    fuhr erst dann mit der Untersuchung fort.
    Sie hob die Hand über den Kopf und drehte die Lampe so, dass sie den Beckenbereich besser erkennen konnte. Sie richtete das Spekulum aus und betete im Stillen zu Gott, zu sich selbst, zu jedem, der sie erhören wollte - aber vergeblich. Als Jeffrey an ihre Seite zurückkehrte, gab es keinen Zweifel mehr.
    «Und?», fragte er.
    Saras Hände zitterten, als sie die Handschuhe abstreifte. «Sie wurde gleich zu Beginn des tätlichen Angriffs sexuell missbraucht.» Sie brach ab, ließ die verschmutzten Handschuhe auf den Tisch fallen und rief sich ins Gedächtnis, wie Sibyl Adams auf der Toilette gesessen hatte, die Hände auf die offene Wunde in ihrem Unterleib gepresst, und sich dann an die Haltestangen beiderseits der Kabine klammerte und absolut nicht fassen konnte, wie ihr geschah.
    Er

Weitere Kostenlose Bücher