Belladonna
wartete einige Momente, bevor er drängte: «Und?»
Sara stützte sich auf den Rand des Obduktionstisches. «In ihrer Vagina befanden sich Spuren von Kot.»
Jeffrey schien nicht ganz folgen zu können. «Es kam also zuerst zur Sodomie?»
«Es gibt kein Anzeichen einer analen Penetration.»
«Aber du hast doch Kot gefunden», sagte er, denn er begriff immer noch nicht.
«Tief in ihrer Vagina», sagte Sara. Sie wollte es nicht aussprechen, wusste aber, dass es nicht anders ging. Sie nahm ein uncharakteristisches Zittern in ihrer Stimme wahr, als sie sagte: «Der Einschnitt in ihren Bauch war absichtlich so tief, Jeffrey.» Sie schwieg und musste nach Worten suchen, um die entsetzliche Tat zu beschreiben, die sie entdeckt hatte.
«Er hat sie vergewaltigt», sagte Jeffrey, und diesmal war es keine Frage. «Es gab eine vaginale Penetration.»
«Ja», antwortete Sara. Noch immer auf der Suche nach einer
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Möglichkeit, es unmissverständlich auszudrücken. Schließlich sagte sie: «Es kam zu einer vaginalen Penetration, nachdem er zuvor gewaltsam in die Wunde eingedrungen war.»
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FÜNF
Der Abend war schnell hereingebrochen, und mit dem
Untergang der Sonne war auch die Temperatur gesunken.
Jeffrey überquerte die Straße, als Lena auf den Parkplatz der Wache fuhr. Sie war ausgestiegen, bevor er bei ihr war.
«Was ist denn los?», fragte sie, aber er konnte erkennen, dass sie bereits wusste, dass etwas passiert war. «Ist was mit meinem Onkel?», fragte sie und rieb sich die Arme, um die Kälte zu vertreiben. Sie trug nur ein dünnes T-Shirt und Jeans, nicht ihre normale Arbeitskleidung, denn die Fahrt nach Macon war sozusagen außerdienstlich gewesen.
Jeffrey zog sein Jackett aus und reichte es ihr. Das Gewicht dessen, was Sara ihm eröffnet hatte, lastete wie ein Stein auf seiner Brust. Wenn Jeffrey ein Wort mitzureden hätte, würde Lena niemals genau erfahren, was mit Sibyl Adams geschehen war. Sie würde niemals zu wissen bekommen, was diese Bestie ihrer Schwester angetan hatte.
«Gehen wir rein», sagte er und stützte ihren Ellbogen.
«Ich will aber nicht reingehen», entgegnete sie und riss ihren Arm los. Sein Jackett fiel zwischen ihnen zu Boden.
Jeffrey beugte sich hinunter, um es aufzuheben. Als er wieder aufsah, hatte Lena die Hände in die Hüften gestemmt. Solange er sie kannte, war Lena Adams schon aus dem nichtigsten Anlass aus der Haut gefahren. Irgendwo im Hinterkopf hatte Jeffrey gedacht, dass sie eine Schulter brauchte, um sich auszuweinen, oder tröstende Worte. Er konnte sich einfach nicht daran gewöhnen, dass Lena keine sanfte Seite besaß. Vielleicht, weil sie eine Frau war. Vielleicht aber auch, weil er noch vor wenigen Minuten ihre Schwester aufgeschlitzt im
Leichenschauhaus hatte liegen sehen. Er hätte sich ins
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Gedächtnis rufen sollen, dass Lena Adams härter war als das. Er hätte sich auf die Wut gefasst machen sollen.
Jeffrey zog sich sein Jackett über. «Ich möchte nicht hier draußen darüber sprechen.»
«Was wollen Sie denn sagen?», verlangte sie zu wissen. «Sie wollen sagen, dass er am Steuer saß, stimmt's? Und von der Straße abgekommen ist, stimmt's?» Sie zählte die Abfolge an den Fingerspitzen ab und konfrontierte ihn beinahe wortgetreu mit den Vorschriften aus dem Polizeihandbuch für den Fall, dass jemand darüber informiert werden muss, dass ein
Familienmitglied zu Tode gekommen ist. Führen Sie langsam darauf zu. Überfallen Sie die Angehörigen nicht damit. Geben Sie dem Familienmitglied oder geliebten Menschen Zeit, sich mit dem Gedanken vertraut zu machen.
Lena richtete sich weiterhin nach der vorgeschriebenen Reihenfolge, und bei jedem Satz wurde ihre Stimme lauter.
«Wurde er von einem anderen Wagen angefahren? Hä? Und man hat ihn ins Krankenhaus gebracht? Und ma n hat versucht, ihn zu retten, aber es doch nicht geschafft? Sie haben jedoch alles in ihrer Macht Stehende getan, hä?»
«Lena -»
Sie ging zurück zu ihrem Wagen und drehte sich dann nochmal um. «Wo ist meine Schwester? Haben Sie es ihr schon gesagt?»
Jeffrey atmete tief ein und ganz langsam aus.
«Seh sich einer das an», zischte Lena, drehte sich zur Polizeiwache und winkte. Maria Simms blickte aus einem der vorderen Fenster. «Komm doch raus, Maria», rief Lena.
«Kommen Sie», sagte Jeffrey, bemüht, sie zu besänftigen.
Sie wich vor ihm zurück. «Wo ist meine Schwester?»
Seine Lippen wollten sich nicht bewegen. Mit äußerster Willensanstrengung
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