Belladonna
ihr wie Feuer in der Kehle, es war ein Gefühl, als hätte sie glühenden Asphalt geschluckt.
Hank sah auf das Glas, sah nicht Lena an, als sie dies tat.
Mehr brauchte sie nicht. Sie sagte: «Sibyl ist tot, Hank.»
Ohne Vorwarnung rannen ihm Tränen aus den Augen, Lena konnte nur denken, dass er sehr, sehr alt aussah. Sie hatte den Eindruck, eine Blume verwelken zu sehen. Er zog sein Taschentuch hervor und putzte sich die Nase.
Lena wiederholte die Worte fast so, wie Jeffrey Tolliver es schon früher am Abend getan hatte. «Sie ist tot.»
Mit bebender Stimme fragte er: «Bist du sicher?»
Lena nickte fast hektisch. «Ich hab sie gesehen.» Und dann:
«Jemand hat sie sehr übel aufgeschlitzt.»
Sein Mund öffnete und schloss sich wie bei einem Fisch. Er behielt Lena im Blick, wie er es immer getan hatte, wenn er versuchte, sie einer Lüge zu überführen. Schließlich aber sah er woandershin und murmelte: «Das ergibt doch gar keinen Sinn.»
Sie hätte hinüberreichen und seine alte Hand tätscheln können, vielleicht sogar versuchen können, ihn zu trösten, aber sie tat es nicht. Lena saß wie versteinert auf ihrem Stuhl. Statt an Sibyl zu denken, was eigentlich ihre erste Reaktion gewesen war, konzentrierte sie sich jetzt auf Hank, auf seine feuchten Lippen, seine Augen, die Haare, die ihm aus der Nase wuchsen.
«Oh, Sibby.» Er seufzte und wischte sich die Augen. Lena sah seinen Adamsapfe l hüpfen, als er schluckte. Er griff nach der Flasche, ließ seine Hand auf deren Hals ruhen. Ohne zu fragen, drehte er die Kappe ab und schenkte Lena noch einmal nach.
Diesmal reichte die dunkle Flüssigkeit fast bis hinauf an den Rand des Glases.
Zeit verstrich, dann putzte sich Hank laut die Nase und tupfte
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sich die Augen mit dem Taschentuch ab. «Ich kann mir absolut nicht vorstellen, dass jemand sie umzubringen versucht.» Seine Hände zitterten immer stärker, als er das Taschentuch Lage um Lage kleiner zusammenfaltete. «Ergibt doch gar keinen Sinn», stammelte er. «Bei dir, da könnte ich's noch verstehen.»
«Vielen Dank auch.»
Schon war Hank verärgert. «Fahr bloß nicht gleich aus der Haut. Ich meine, bei dem Job, den du hast.»
Dazu sagte Lena nichts. Das war eine wohlvertraute Aufforderung.
Er stützte sich mit den Händen auf den Tisch und starrte Lena an. «Wo bist du gewesen, als es geschah?»
Lena stürzte den Drink hinunter. Diesmal brannte es nicht so stark. Als sie das Glas auf den Tisch stellte, starrte Hank sie immer noch an.
Leise murmelte sie: «Macon.»
«War es ein Verbrechen aus Hass?»
Lena griff nach der Flasche und hob sie hoch. «Ich weiß nicht.
Vielleicht.» Der Whiskey gluckerte in der Flasche, als sie sich nachschenkte. «Vielleicht hat er gerade sie ausgesucht, weil sie lesbisch war. Vielleicht hat er sie auch ausgesucht, weil sie blind war.» Lena sah mit einem Seitenblick, wie gequält er darauf reagierte. Sie beschloss, ihre Spekulation zu erläutern.
«Vergewaltiger neigen dazu, sich Frauen auszusuchen, die sie kontrollieren können, Hank. Sie war ein leichtes Opfer.»
«Also ist es am Ende auch noch meine Schuld?»
«Das hab ich nicht gesagt.»
Er schnappte sich die Flasche. «Gut», fuhr er sie an und ließ die halb leere Flasche wieder in den Karton fallen. Jetzt klang er wütend und darauf bedacht, auf das Wesentliche
zurückzukommen. Wie Lena fühlte sich auch Hank unbehaglich, wenn Emotionen ins Spiel kamen. Sibyl hatte oft gesagt, Hank
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und Lena kämen hauptsächlich deswegen nicht miteinander aus, weil sie einander so ähnlich waren. Als sie hier mit Hank saß und seinen Kummer und Zorn in sich aufnahm, die den winzigen Verschlag erfüllten, sah Lena ein, dass Sibyl Recht gehabt hatte. Sie sah sich vor sich, wie sie in zwanzig Jahren sein würde, und konnte nichts dagegen tun, der Entwicklung keinen Einhalt gebieten.
Hank fragte: «Hast du mit Nan gesprochen?»
«Yeah.»
«Wir müssen uns um die Beerdigung kümmern», sagte er, nahm einen Stift und zeichnete eine Art Kasten auf seinen Kalender. Obendrüber schrieb er in Großbuchstaben
BEGRÄBNIS. «Meinst du, es gibt jemanden in Grant, der das vernünftig machen könnte?» Er wartete auf ihre Antwort und fügte hinzu: «Ich mein, die meisten ihrer Freunde waren doch von da.»
«Was?», fragte Lena, das Glas an ihren Lippen. «Wovon redest du eigentlich?»
«Lee, wir müssen Vorbereitungen treffen. Wir müssen uns doch um Sibby kümmern.»
Lena leerte das Glas. Als sie Hank ansah,
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