Belladonna
geht auf mich», sagte der Mann und knallte einen Zehndollarschein auf die Theke. Wenn er sprach, kollidierten seine Wörter wie die Waggons eines entgleisten Güterzugs, und Lena wurde klar, dass er viel betrunkener war, als sie je werden wollte.
Der Mann bedachte sie mit einem lüsternen Grinsen.
«Weißt du was, Zuckerpuppe, ich würde gern was Biblisches mit dir anstellen.»
Sie beugte sich dicht an sein Ohr. «Sollte ich je feststellen, dass du es getan hast, werd ich dir mit meinem Zündschlüssel die Eier rausreißen.»
Er öffnete den Mund, um etwas zu entgegnen, wurde aber vom Barhocker gerissen, bevor er auch nur ein Wort
herausbekam. Hank stand da, hielt den Mann am Hemdkragen gepackt und stieß ihn dann in die Menge. Der Blick, mit dem ihr Onkel sie musterte, war genauso grimmig wie der, mit dem sie ihn ansah.
Lena hatte Hank nie gemocht. Anders als Sibyl war sie jemand, der nur schwer verzeihen konnte. Auch wenn Lena Sibyl nach Reece fuhr, damit sie den Onkel besuchen konnte, verbrachte sie den größten Teil der Zeit im Auto oder saß auf der Vordertreppe, Autoschlüssel in der Hand, um sofort aufbrechen zu können, sobald Sibyl zur Vordertür herauskam.
Trotz der Tatsache, dass Hank sich im Alter von zwanzig bis fast vierzig ständig Speed in die Venen gespritzt hatte, war er keineswegs ein Idiot. Dass Lena mitten in der Nacht bei ihm auftauchte, konnte nur eins bedeuten.
Sie sahen einander immer noch starr an, als die Musik von neuem loslegte, die Wände zu erschüttern schien und den Boden so stark vibrieren ließ, dass man es auf dem Barhocker spürte.
Was Hank fragte, sah sie eher, als dass sie es hören konnte: «Wo
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ist Sibyl?»
Hinter die Bar angebaut und eher wie eine Außentoilette wirkend und nicht wie ein Raum für normale Geschäfte, war Hanks Büro nicht viel mehr als ein kleiner Holzverschlag mit einem Blechdach. Eine Glühbirne hing an einem fast
durchgescheuerten elektrischen Kabel, das wahrscheinlich gleich nach der großen Depression im Rahmen eines staatlichen Hilfsprogramms installiert worden war. Plakate von Bier- und Schnapsfirmen dienten als Tapeten. Weiße Kartons mit Spirituosen waren vor der rückwärtigen Wand aufgestapelt, sodass vielleicht noch drei Quadratmeter Platz blieben für einen Schreibtisch und je einen Stuhl auf beiden Seiten. Um die Stühle und den Tisch herum häuften sich Schachteln voller Quittungen und Belege, die Hank als Betreiber der Bar im Laufe der Jahre angesammelt hatte. Ein Bach, der hinter der Bar floss, sorgte dafür, dass stets Feuchtigkeit und Moder in der Luft lagen. Lena nahm an, dass Hank gern an diesem düsteren und muffigen Ort arbeitete.
«Ich sehe, du hast renoviert», sagte Lena und stellte ihr Glas auf eine der Schachteln. Sie konnte nicht sagen, ob sie nicht mehr betrunken genug oder schon zu betrunken war, um es zu merken.
Hank warf einen flüchtigen Blick auf das Glas und sah dann wieder Lena an. «Du trinkst doch gar nicht.»
Sie hob das Glas und prostete ihm zu. «Auf die
Spätentwicklerin.»
Hank setzte sich auf seinem Bürostuhl zurück, die Hände vor dem Bauch verschränkt. Er war hoch gewachsen und dürr, und seine Haut neigte dazu, im Winter schuppig zu werden. Hanks Vater war Spanier, aber äußerlich ähnelte er weit mehr seiner Mutter, einer käsigen Frau, die so sauertöpfisch war, wie sie aussah. Lena war es immer so vorgekommen, als ob Hank große
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Ähnlichkeit mit einer Albino-Schlange besaß.
Er fragte: «Was treibt dich in diese Gegend?»
«Wollte nur mal reinschaue n», kriegte sie über den Rand des Glases heraus. Der Whiskey hinterließ einen bitteren Geschmack. Sie ließ den Blick nicht von Hank, als sie das Glas leerte und es dann mit Schwung auf die Schachtel zurückstellte.
Lena konnte sich nicht erklären, was sie zurückhielt. Jahrelang hatte sie darauf gewartet, einmal die Oberhand über Hank Norton zu gewinnen. Jetzt war ihre Möglichkeit gekommen, ihm so wehzutun, wie er Sibyl wehgetan hatte.
«Hast du jetzt auch angefangen, Kokain zu schnupfen, oder nur geheult?»
Lena rieb sich mit dem Handrücken über den Mund. «Was meinst du wohl?»
Hank starrte sie an, rieb und knetete sich die Hände. Das war mehr als eine nervöse Angewohnheit, wie Lena wusste. Hank hatte schon früh Arthritis bekommen, weil er sich immer wieder Speed in die Venen seiner Hände gespritzt hatte. Da die meisten Venen durch die starken Zusatzstoffe, mit denen die Droge gestreckt wurde, verkalkt
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