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Belladonna

Belladonna

Titel: Belladonna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Slaughter
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Beton. Fluchend trat sie die Scherben von ihren Reifen weg und ging zum Mülleimer. Als sie die leeren Flaschen hineinwarf,...
    starrte Lena auf ihr Spiegelbild im Sicherheitsglas der Schaufensterscheibe. Eine Sekunde lange hatte sie das Gefühl, Sibyl zu sehen. Sie legte die Hand auf die Scheibe, berührte ihre Lippen und ihre Augen.
    «Mein Gott», seufzte Lena. Dies war einer der vielen Gründe, warum sie nicht trinken mochte. Sie war ja schon fast ein Fall für die Klapsmühle.
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    Musik plärrte von der Bar auf der anderen Straßenseite herüber. Hank betrachtete es als eine Prüfung seiner Willensstärke, dass er eine Bar besaß, aber keinen Tropfen trank. ‹The Hut› sah, wie der Name andeutete, ein wenig nach Südsee aus. Das Dach war so hoch wie nötig mit Reet gedeckt, und ganz oben war es mit verrostetem Blech beschlagen.
    Fackeln mit orange und roten Glühbirnen statt echter Flammen standen links und rechts vom Eingang, und die Tür war so gestrichen, dass es aussah, als sei sie aus Gras. Zwar blätterte überall Farbe von den Wänden ab, aber man konnte das Bambusmuster noch ahnen.
    Betrunken, wie sie war, besaß Lena dennoch genügend Selbstkontrolle, um nach links und rechts zu sehen, bevor sie die Straße überquerte. Ihre Füße schlurften gut zehn Sekunden hinter dem Rest ihres Körpers her, und sie hatte die Arme zur Seite ausgestreckt, um das Gleichgewicht zu halten, als sie über den Kies des Parkplatzes ging. Von den ungefähr fünfzig Fahrzeugen auf dem Platz waren vierzig Pickups. Da man sich im ‹Neuen› Süden befand, hatten die Kleinlaster keine Gewehrhalterungen mehr, sondern Chromleisten und goldene Zierstreifen an den Seiten. Die anderen Autos waren Jeeps und Gelä ndewagen. Startnummern für Nascar-Rennen waren auf die rückwärtigen Scheiben gemalt. Hanks cremefarbener Mercedes von 1983 war die einzige Limousine auf dem Platz.
    ‹The Hut › stank nach Zigarettenrauch, und Lena musste ganz flach atmen, um nicht zu würgen. Ihre Augen brannten, als sie zum Tresen ging. In den vergangenen zwanzig oder so Jahren hatte sich nicht viel verändert. Der Fußboden war klebrig von Bier, und unter den Füßen knirschten Erdnussschalen. Zur Linken befanden sich Nischen, in denen wahrscheinlich mehr DNS-Material zu finden war als im FBI-Labor von Quantico.
    Rechts erstreckte sich eine lange Bar aus Fünfzig-Gallonen-Fässern und Fichtenkernholz. An der hinteren Wand befand sich die Bühne, links und rechts von ihr jeweils die Damen- und
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    Herrentoiletten. In der Mitte des Raums lag das, was Hank Tanzfläche nannte. Abends war sie meistens randvoll von Männern und Frauen in verschiedenen Stadien betrunkener Erregung. ‹The Hut › war eine ‹Halbdrei-Bar›, womit gemeint war, dass um halb drei Uhr morgens alle Gäste blendend aussahen.
    Hank war nirgends zu sehen, aber Lena wusste, dass er bei einem ‹Jekami›-Abend wie heute nicht weit sein konnte. Jeden zweiten Montag waren die Gäste der ‹Hut› herzlich eingeladen, auf die Bühne zu gehen und sich vor dem Rest der Stadt zum Narren zu machen. Bei dem Gedanken daran grauste es Lena.
    Im Vergleich zu Reece war Heartsdale eine geschäftige Metropole. Wäre nicht die Reifenfabrik gewesen, die meisten Männer hier im Raum hätten schon vor Jahren die Flucht ergriffen. Aber so waren sie es zufrieden, sich zu Tode zu trinken und dabei so zu tun, als seien sie froh und glücklich.
    Lena rutschte auf den erstbesten freien Barhocker. Der Country-Song aus der Musikbox hatte einen stampfenden Bass-Rhythmus; sie stützte die Ellbogen auf die Theke und legte die Hände über die Ohren, um sich möglichst ungestört beim Denken zuzuhören.
    Jemand stieß gegen ihren Arm, und als sie den Kopf hob, sah sie den Prototyp eines Hinterwäldlers neben sich sitzen. Sein Gesicht war sonnenverbrannt, und zwar vom Hals aufwärts bis zwei Zentimeter unter dem Haaransatz, weil er wahrscheinlich im Freien gearbeitet und dabei seine Baseballkappe getragen hatte. Sein Hemd war so gestärkt, dass man es hätte hinstellen können, und die Manschetten lagen eng um seine dicken Handgelenke. Die Musikbox verstummte plötzlich, und Lena mahlte mit den Kinnbacken, damit es in den Ohren knackte und sie sich nicht mehr so vorkam, als sei sie in einem Tunnel.
    Der Gentleman-Nachbar knuffte abermals ihren Arm, grinste und sagte: «He, Lady.»
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    Lena verdrehte die Augen und erweckte die Aufmerksamkeit des Barkeepers. «JD on the rocks», bestellte sie.
    «Das

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