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Belladonna

Belladonna

Titel: Belladonna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Slaughter
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zurückbegleiten.»
    «Wie bitte?», fragte Lena, überzeugt, sich verhört zu haben. «Von meinem Chief? Von Jeffrey Tolliver?»
    Er nickte kurz. «Ja, Ma'am.» Bevor sie ihm noch eine weitere Frage stellen konnte, war er schon auf dem Rückweg zu seinem Wagen. Lena wartete, bis er wieder auf die Straße gefahren war, und setzte sich dann hinter ihn. Er beschleunigte zügig und fuhr nach Minuten schon neunzig. Sie überholten den blauen Civic, aber Lena scherte sich nicht darum. Sie konnte nur denken: «Was hab ich diesmal gemacht?»

VIER
    Obwohl das Heartsdale Medical Center den markanten Abschluss der Main Street bildete, wirkte es nicht auch nur halb so imposant, wie sein Name hätte vermuten lassen. Gerade eben zwei Stockwerke hoch, war das kleine Krankenhaus zu kaum mehr in der Lage, als sich der Abschürfungen und verdorbenen Mägen anzunehmen, die nicht auf die Sprechstunden der Ärzte warten konnten. Ungefähr dreißig Minuten entfernt gab es in Augusta ein größeres Krankenhaus, in dem die schwereren Fälle behandelt wurden. Hätte sich nicht das Leichenschauhaus des County in seinem Kellergeschoss befunden, wäre das Medizinische Zentrum schon vor langer Zeit abgerissen worden, um einem Studentenwohnheim zu weichen.
    Wie der Rest der Stadt war auch das Krankenhaus während des Aufschwungs der dreißiger Jahre erbaut worden. Die beiden Stockwerke waren seither renoviert worden, aber das Leichenschauhaus war der Krankenhausverwaltung offenbar nicht besonders wichtig. Die Wände waren mit hellblauen Fliesen gekachelt, die so alt waren, dass sie langsam wieder in Mode kamen. Die Fußböden waren mit braunem und grünem Linoleum im Karomuster ausgelegt. Die Decke hatte so manchen Wasserschaden erlitten, war aber fast immer wieder ausgebessert worden. Die Geräte waren veraltet, aber funktionierten.
    Saras Büro befand sich im rückwärtigen Teil, vom Rest des Leichenschauhauses durch ein großes Glasfenster abgetrennt. Sie saß hinter ihrem Schreibtisch, schaute aus dem Fenster und gab sich alle Mühe, ihre Gedanken zu sammeln. Sie konzentrierte sich auf das statische Rauschen im Leichenschauhaus: das Surren des Kompressors für den Gefrierschrank, das Whuschwhusch des Wassers aus dem Schlauch, mit dem Carlos den Fußboden abspritzte. Da sie sich unter der Erde befanden, wurden die Geräusche von den Wänden des Leichenschauhauses eher geschluckt als reflektiert, und auf eigenartige Weise empfand sie das vertraute Surren und Plätschern als beruhigend. Das schrille Läuten des Telefons durchbrach die Ruhe.
    «Sara Linton», sagte sie, denn sie erwartete Jeffrey. Stattdessen war es ihr Vater.
    «He, Baby.»
    Sara lächelte, denn beim Klang von Eddie Lintons Stimme wurde ihr leichter ums Herz. «He, Daddy.» «Ich hätte einen Witz für dich.»
    «So?» Sie versuchte unbefangen zu wirken, sie wusste, dass ihr Vater dazu neigte, seinen Stress mit Humor zu bewältigen. «Und wie geht der?»
    «Ein Kinderarzt, ein Anwalt und ein Priester sind auf der Titanic, als die zu sinken beginnt», fing er an. «Der Kinderarzt sagt:     Sara lachte, aber eigentlich nur, um ihrem Vater den Gefallen zu tun. Er schwieg, wartete wohl darauf, dass sie etwas sagte. «Wie geht's Tessie?»
    «Macht ein Nickerchen», wusste er zu berichten. «Und wie geht's dir?»
    «Ach, alles in Ordnung.» Sara zeichnete die ersten Kreise auf ihren Kalender. Eigentlich kritzelte sie nie, aber sie musste einfach etwas mit ihren Händen anfangen. Einerseits hätte sie gern in ihrer Tasche nachgeschaut, ob Tessa daran gedacht hatte, die Postkarte hineinzutun. Andererseits wollte sie gar nicht wissen, wo die Karte war.
    Eddie unterbrach ihre Gedanken. «Mom sagt, du musst morgen zum Frühstück kommen.»
    «So?», fragte Sara und zeichnete Quadrate um die Kreise.
    Seine Stimme intonierte einen Singsang. «Waffeln und Hafergrütze und Toast und Speck.»
    «He», sagte Jeffrey.
    Sara hob ruckartig den Kopf und ließ den Stift fallen. «Du hast mich erschreckt», sagte sie, und dann zu ihrem Vater: «Daddy, Jeffrey ist hier -»
    Eddie Linton gab eine Reihe unverständlicher Töne von sich. Seiner Meinung nach half bei allen Problemen mit Jeffrey Tolliver nur ein wohl gezielter Steinwurf an den Kopf.
    «Also gut», sagte Sara in den Hörer und bedachte Jeffrey mit einem verkniffenen Lächeln. Er betrachtete die Gravur im Glas, wo ihr Vater ein

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