Belladonna
auch etwas ihre Knöchel und presste ihre Füße an den Boden. Sie konnte weder Beine noch Arme bewegen. Sie war mit ausgebreiteten Armen an den Boden gefesselt. Eine Erkenntnis durchfuhr elektrisierend ihren Körper: Sie war gefangen in einer Falle.
Lena befand sich wieder in dem dunklen Raum, wohin man sie vor Stunden gebracht hatte: Oder war es vor Tagen gewesen? Vor Wochen? Das Klicken war da, der langsame Takt der Wasserfolter, die ihr Hirn marterte. Der Raum hatte weder Fenster noch Licht. Da gab es nur Lena und das, was sie am Boden gefesselt hielt.
Plötzlich ging ein Licht an, ein blendendes Licht, das in ihren Augen brannte. Lena versuchte wieder, sich aus ihren Fesseln zu befreien, aber sie war hilflos. Jemand war da; jemand, von dem sie wusste, dass er ihr helfen müsste. Aber er tat es nicht. Sie wand sich unter den Stricken, drehte den Körper, versuchte sich zu befreien. Aber es war zwecklos. Ihr Mund öffnete sich, aber Worte wollten nicht kommen. In Gedanken formte sie mit aller Kraft die Worte - Bitte, hilf mir doch! -, aber mit dem Klang ihrer Stimme wurde sie nicht belohnt.
Sie drehte den Kopf zur Seite, blinzelte und versuchte, an dem Licht vorbeizusehen, als sie einen ganz leichten Druck auf ihrer Handfläche spürte. Es war nur ein dumpfes Gefühl, aber Lena konnte im Licht sehen, dass die Spitze eines langen Nagels in ihre Handfläche gepresst wurde. Und im Licht wurde auch ein Hammer erhoben.
Lena schloss die Augen. Schmerz spürte sie nicht. Sie befand sich wieder am Strand. Nur diesmal nicht im Wasser. Diesmal flog sie.
VIERUNDZWANZIG
Eine angenehme Frau war Mary Ann Moon nicht. Ihre Miene drückte ganz deutlich aus: «Kommen Sie mir bloß mit keinem Scheiß», noch ehe Jeffrey sich vorstellen konnte. Sie hatte einen Blick auf Wrights zerrissene Überwachungsmanschette geworfen.
«Wissen Sie eigentlich, wie viel diese Dinger kosten?» Und von da an war es nur noch bergab gegangen. Jeffreys größtes Problem mit Moon, wie sie genannt werden wollte, war die Sprachbarriere. Moon stammte von irgendwo oben im Osten, aus einem jener Orte, wo die Konsonanten ein Eigenleben führten. Außerdem sprach sie laut und abgehackt, was in den Ohren von Südstaatlern sehr ungehörig klang. Im Fahrstuhl auf dem Weg von der zentralen Aufnahme zu den Verhörräumen stand sie zu dicht neben ihm. Ihr Mund war eine schmale Linie der Missbilligung, die Arme hatte sie unterhalb der Taille gekreuzt. Moon war ungefähr vierzig Jahre alt, aber diese vierzig Jahre waren von zu viel Rauchen und zu viel Trinken geprägt. Sie hatte dunkelblondes Haar mit ein paar grauen Strähnen. Von ihren Lippen gingen in alle Richtungen tief gefurchte Falten aus.
Ihr nasaler Tonfall und das rasante Tempo, mit dem sie sprach, vermittelten Jeffrey den Eindruck, er unterhielte sich mit einem Waldhorn. Jede Erwiderung Jeffreys brauchte ihre Zeit, weil er erst darauf warten musste, dass sein Hirn ihre Worte übersetzt hatte. Er merkte schon sehr bald, dass Moon diese Langsamkeit für ein Zeichen von Beschränktheit hielt, aber daran konnte er auch nichts ändern.
Als sie durchs Dezernat gingen, sagte sie über die Schulter hinweg etwas zu ihm. Er ließ ihre Worte nochmals in Zeitlupe abspulen und kam zu dem Schluss, dass sie gesagt haben musste: «Erzählen Sie mir von Ihrem Fall, Chief.»
Er gab ihr einen kurzen Abriss der Ereignisse, seit Sibyl Adams gefunden worden war, wobei er seine Verbindung zu Sara nicht erwähnte. Er nahm wahr, dass seine Darstellung nicht schnell genug vorankam, denn Moon unterbrach ihn immer wieder mit Fragen, die er gleich darauf ohnehin beantwortet hätte, wenn sie ihm nur Zeit gelassen hätte, seinen Satz zu Ende zu bringen.
«Sie sind also ins Haus meines Jungen eingedrungen», sagte sie. «Haben Sie auch die ganze Jesus-Scheiße gesehen?» Sie verdrehte die Augen. «Die Neunmillimeter ist nicht zufällig in Ihre Hosentasche reinmarschiert, oder, Sheriff Tolliver?»
Jeffrey warf ihr einen - wie er hoffte - drohenden Blick zu.
Sie reagierte mit einem Lachanfall, der ihm die Trommelfelle zu sprengen drohte. «Der Name kommt mir bekannt vor.»
«Wie meinen Sie?»
«Linton. Tolliver ebenfalls.» Sie stemmte ihre winzigen Hände in die schmalen Hüften. «Ich bin sehr gewissenhaft mit Benachrichtigungen, Chief. Ich habe Sara vielleicht fünf-, sechsmal angerufen, um sie wissen zu lassen, wo sich Jack Allen Wright befindet. Es ist mein Job, die Opfer einmal im Jahr zu benachrichtigen. Ihr Fall
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