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Belladonna

Belladonna

Titel: Belladonna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Slaughter
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sie nichts anderes tun konnte. Als Jeffrey ihr gesagt hatte, dass Sibyl tot war, hatte Lena danach kein anderes Ziel vor Augen gehabt, als denjenigen zu finden, der Sibyl umgebracht hatte. Sie wollte ihn der gerechten Strafe zuführen. Nichts wünschte sie sich mehr, als diesen Schweinehund zu finden und auf den elektrischen Stuhl zu bringen. Von diesen Gedanken war sie vom ersten Tag an so besessen, dass sie noch nicht einmal die Zeit gefunden hatte, innezuhalten und zu trauern. Nicht einen Tag hatte sie damit verbracht, den Verlust ihrer Schwester zu betrauern. Nicht eine einzige Stunde war vergangen, in der sie sich die Zeit genommen hatte, über ihren Verlust nachzudenken.
    Jetzt, da sie in diesem Haus gefangen war, festgenagelt auf den Fußboden, hatte Lena gar keine andere Wahl, als nachzudenken. Sie dachte an Sibyl. Sogar als sie unter Drogen gesetzt wurde, als man ihr einen Schwamm auf die Lippen presste und ihr bittersüßes Wasser in den Rachen rann und sie gezwungen war, es zu schlucken, trauerte Lena um Sibyl. Da gab es Schultage, die ihr auf einmal so gegenwärtig waren, dass sie meinte, das Holz des Bleistifts zu spüren, den sie in der Hand hielt. Neben Sibyl hinten im Klassenraum sitzend, konnte sie die Tinte des Hektographen riechen. Da gab es Spazierfahrten im Auto und Ferienerlebnisse, Fotos aus der Abgangsklasse und Wandertage. Sie durchlebte all das noch einmal mit Sibyl an ihrer Seite, und es war so, als sei es real.
    Das Licht war wieder da, als er den Raum betrat. Ihre Pupillen waren so erweitert, dass sie nichts sah als Schatten, aber trotzdem benutzte er die Taschenlampe, um ihr die Sicht zu nehmen. Der Schmerz war so intensiv, dass sie die Augen schließen musste. Warum er das tat, konnte sie sich nicht zusammenreimen. Lena wusste, wer sie gefangen hatte. Auch wenn sie seine Stimme nicht erkannt hatte, konnte das, was er sagte, nur vom Apotheker der Stadt kommen.
    Jeb setzte sich an ihre Füße und legte die Lampe auf den Boden. Der Raum war bis auf diesen kleinen Lichtstrahl stockdunkel. Irgendwie empfand Lena es als tröstlich, wieder etwas sehen zu können, nachdem sie sich so lange in völliger Dunkelheit befunden hatte.
    Jeb fragte: «Geht es dir besser?»
    «Ja», antwortete Lena, die sich gar nicht daran erinnerte, dass sie sich vorher schlechter gefühlt hatte. Ungefähr alle vier Stunden spritzte er ihr irgendetwas. So wie sich ihre Muskeln kurz danach entspannten, vermutete sie, dass es sich um eine Art Schmerzmittel handeln musste. Die Droge war so stark, dass sie keinen Schmerz spürte, aber sie raubte ihr nicht das Bewusstsein. Er sorgte nur dafür, dass sie über Nacht ohnmächtig war, und zwar durch etwas, das er dem Wasser beigab. Er hielt einen nassen Schwamm über ihre Lippen und zwang sie, das bittere Wasser zu schlucken. Sie betete zu Gott, dass es kein Belladonna war. Lena hatte Julia Matthews mit eigenen Augen gesehen. Sie wusste, dass die Droge tödlich sein konnte. Außerdem bezweifelte Lena, dass Sara zur Stelle sein würde, um sie zu retten. Nicht dass Lena sich sicher war, überhaupt gerettet werden zu wollen. Im Stillen kam sie nämlich immer mehr zu der Überzeugung, es sei am besten, wenn sie hier stürbe.
    «Ich hab versucht, das Tropfen abzustellen», sagte Jeb, als wolle er sich entschuldigen. «Ich weiß einfach nicht, woran es liegt.»
    Lena leckte sich die Lippen und zog die Zunge nicht zurück.
    «Sara ist vorbeigekommen», sagte er. «Kannst du dir vorstellen, dass sie wirklich nicht weiß, wer ich bin?»
    Wieder blieb Lena stumm. In seiner Stimme schwang Einsamkeit mit, auf die sie nicht reagieren wollte. Es war, als wünschte er sich Trost.
    «Möchtest du wissen, was ich mit deiner Schwester gemacht hab?», fragte er.
    «Ja», antwortete Lena, bevor sie sich davon abhalten konnte.
    «Sie hatte Halsschmerzen», begann er und zog sich das Oberhemd aus. Aus dem Augenwinkel beobachtete Lena ihn dabei, wie er sich weiter entkleidete. Er sprach ganz entspannt, so als würde er ein frei erhältliches Hustenmittel oder irgendwelche Vitaminpräparate empfehlen.
    Er sagte: «Sie wollte eigentlich keine Medikamente nehmen, nicht einmal Aspirin. Und sie fragte mich, ob ich ein gutes Hustenmittel auf pflanzlicher Basis hätte.» Inzwischen war er völlig nackt und rückte näher an Lena heran. Sie versuchte, sich loszureißen, als er sich neben sie legte, aber es war sinnlos. Ihre Hände und Füße waren so auf dem Boden befestigt, dass sie sich fast wie gelähmt

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