Belladonna
waren zerkratzt und so gut wie zerfetzt. Sara rettete, was zu retten war, doch der Schaden war angerichtet. Ob das Mädchen wieder gesund wurde, lag jetzt an ihren Selbstheilungskräften.
Sara ging hinaus ans Auto, um ihr Shirt zu wechseln, bevor sie sich mit den Eltern der Kleinen unterhielt. Sie fand sie im Wartebereich und gab ihre Prognose ab. Dabei benutzte sie die entsprechenden Floskeln, sprach von und von . Nur überlebte die Kleine die nächsten drei Stunden nicht, sie hatte weitere Fieberkrämpfe bekommen.
Zu dem Ze itpunkt ihrer ärztlichen Laufbahn war das dreizehnjährige Mädchen die jüngste Patientin, die Sara verloren hatte. Die anderen Patienten, die unter Saras Obhut nicht überlebt hatten, waren älter oder schlimmer krank gewesen. Es war zwar traurig, sie zu verlieren, doch ihr Tod kam nicht unerwartet. Sara war noch völlig entsetzt über die Tragödie, als sie zum Wartebereich ging. Die Eltern des Mädchens wirkten nicht minder schockiert. Sie hatten nicht die geringste Ahnung von der Schwangerschaft ihrer Tochter gehabt. Soweit sie wussten, hatte die Kleine noch nicht einmal einen Freund gehabt. Sie konnten einfach nicht verstehen, wie ihre Tochter schwanger sein konnte, und noch viel weniger, wieso sie tot sein sollte.
«Mein Baby», flüsterte der Vater. Mit einer Stimme, die vor Kummer beinahe versagte, wiederholte er ständig den Satz: «Sie war aber doch mein Baby.»
«Sie müssen sich irren», sagte die Mutter. Sie kramte in ihrer Handtasche und brachte eine Brieftasche zum Vorschein. Bevor Sara sie davon abhalten konnte, war ein Foto gefunden ein Schulfoto eines jungen Mädchens in Cheerleader-Uniform. Sara wollte sich das Foto nicht anschauen, aber die Frau war anders nicht zu trösten. Sara sah sich das Foto ein zweites Mal an, diesmal aufmerksamer. Das Mädchen hielt die Pompons seitlich von sich gestreckt. Die Kleine lächelte. Dieser Gesichtsausdruck stand in großem Kontrast zu dem des leblosen Mädchens, das auf der Bahre lag und darauf wartete, ins Leichenschauhaus gebracht zu werden.
Der Vater griff nach Saras Händen. Er beugte den Kopf und flüsterte ein Gebet, das sehr lange anzudauern schien und in dem er um Vergebung bat. Außerdem beteuerte er seinen immer währenden Glauben an Gott. Sara war absolut kein religiöser Mensch, aber etwas an diesem Gebet rührte sie. In der Lage zu sein, angesichts eines so furchtbaren Verlusts derart Trost zu finden, erstaunte sie.
Nach dem Gebet war Sara zu ihrem Wagen gegangen, um sich zu sammeln, vielleicht sogar eine Fahrt um den Block zu machen, damit sich ihr Verstand mit diesem tragischen und unnötigen Tod beschäftigen konnte. Und da hatte sie den Schaden an ihrem Auto vorgefunden. Und da war sie zurück ins Haus und auf die Toilette gegangen. Und da hatte Jack Allen Wright sie vergewaltigt.
Das Bild, das Jeb ihr gezeigt hatte, war dasselbe gewesen, das sie vor zwölf Jahren in dem Warteraum gesehen hatte.
«Sara?»
Ein neuer Song begann. Sara wurde beinahe übel, als sie die Worte «He, he, Julia» aus den Lautsprechern hörte.
«Stimmt was nicht?», fragte Jeb und zitierte darauf den Song: «»
Sara hielt eine Dose hoch und schloss den Kühlschrank. «Das hier ist die letzte Coke», sagte sie und machte einen ersten kleinen Schritt Richtung Garagentür. «Draußen hab ich aber noch mehr.»
«Lass nur.» Er zuckte die Achseln. «Mir reicht Wasser.» Er hatte sein Sandwich beiseite gelegt und starrte sie an.
Sara riss die Coke-Dose auf. Ihre Hände zitterten ein wenig, aber sie glaubte nicht, dass Jeb es bemerkte. Sie hob die Dose an den Mund und ließ beim Trinken etwas Coke auf ihren Pullover tropfen.
«Oh», sagte sie und tat, als sei sie überrascht. «Ich geh mich mal eben umziehen. Bin gleich wieder da.»
Sara erwiderte sein Lächeln, auch wenn ihre Lippen dabei bebten. Sie zwang sich dazu, sich in Bewegung zu setzen und langsam die Diele hinunterzugehen. In ihrem Zimmer griff sie nach dem Telefon, sah zum Fenster hinaus und war überrascht, dass strahlender Sonnenschein hereinfiel. Das wollte so gar nicht zu dem Entsetzen passen, das sie ergriffen hatte. Sara wählte Jeffreys Nummer, aber es waren keine Töne zu hören, als sie die einzelnen Tasten drückte. Sie starrte auf das Telefon, wollte mit reiner Willenskraft bewirken, dass es funktionierte.
«Du hast doch den Hörer daneben gelegt», sagte Jeb.
Sara sprang vom Bett auf.
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