Belladonna
und anhaltend, als sie hörte, wie Hanks Wagen in der Auffahrt zurücksetzte.
Der Kessel dampfte, hatte aber noch nicht zu pfeifen begonnen. Lena mochte Tee nicht besonders, aber sie kramte dennoch in den Schränken, um einen Beutel zu finden. Sie stöberte einen ganzen Karton mit Pfefferminztee auf, als an die Hintertür geklopft wurde.
Sie erwartete Hank zu sehen, und deswegen war sie überrascht, als sie die Tür öffnete.
«Oh, hallo», sagte sie und rieb sich das Ohr, als ein schrilles Geräusch ertönte. Ihr wurde klar, dass der Teekessel pfiff, und sie sagte: «Einen Moment...»
Sie stellte die Gasflamme ab, als sie jemanden hinter sich spürte, und dann fühlte sie einen stechenden Schmerz im linken Oberschenkel.
SIEBZEHN
Sara stand an der Leiche von Julia Matthews und hatte die Arme vor der Brust verschränkt. Aufmerksam betrachtete sie die junge Frau, versuchte sie aus klinischer Sicht einzuschätzen und zudem die Frau, deren Leben Sara gerettet hatte, von der toten Frau zu trennen, die vor ihr auf dem Tisch lag. Der Schnitt, den Sara gemacht hatte, um an Julias Herz heranzukommen, war noch nicht verheilt, und der Faden war an der Naht von schwarzem Blut verkrustet. Ein kleines Loch war unter dem Kinn der Frau zu erkennen. Versengte Stellen um die Eintrittswunde verrieten, dass der Lauf der Waffe gegen das Kinn gepresst worden war, als sie abgefeuert wurde. Ein klaffendes Loch am Hinterkopf der jungen Frau verriet die Stelle, wo die Kugel ausgetreten war. Wie makabrer Schmuck an einem blutigen Weihnachtsbaum hingen Knochensplitter aus dem offenen Schädel herab. Der Geruch von Schießpulver hing in der Luft.
Die Leiche von Julia Matthews lag auf dem Autopsietisch aus Keramik fast so, wie Sibyl Adams vor ein paar Tagen dort gelegen hatte. Am Kopf des Tisches befand sich ein Wasserhahn, an dem ein schwarzer Gummischlauch angebracht war. Darüber hing eine Organwaage, die sich nicht sonderlich von jenen Waagen unterschied, mit denen Händler Obst und Gemüse abwiegen. Neben dem Tisch befand sich das Handwerkszeug für eine Autopsie: ein Skalpell, ein ungefähr fünfunddreißig Zentimeter langes Parenchymmesser mit speziell geschärfter Klinge, eine auf ähnliche Weise geschärfte Schere, eine Pinzette, auch genannt, eine Knochensäge und eine Rippenschere, eine Art Rosenschere mit langen Griffen, wie man sie normalerweise in der Garage neben dem Rasenmäher findet. Cathy Linton besaß eine ähnliche Schere, und immer wenn Sara ihre Mutter beim Beschneiden der Azaleen sah, musste sie daran denken, wie sie die Schere im Leichenschauhaus benutzte, um den Brustkorb aufzuschneiden.
Fast wie automatisch bereitete sie schrittweise die Leiche von Julia Matthews zur Autopsie vor. Mit den Gedanken war sie woanders, dachte an den Abend zuvor, als Julia Matthews auf Saras Wagen gelegen hatte, als die junge Frau noch am Leben gewesen war und eine Chance gehabt hatte.
Sara hatte bis jetzt nie Schwierigkeiten damit gehabt, eine Autopsie zu machen. Der Tod hatte sie nie aus dem Gleichgewicht gebracht. Eine Leiche zu öffnen war, wie ein Buch aufzuschlagen; aus Gewebe und Organen gab es so viel zu erfahren. Im Tod stand der Körper für eine gründliche Beurteilung zur Verfügung. Zum Teil hatte Sara die Arbeit als Leichenbeschauerin für Grant County auch deswegen angenommen, weil sie sich bei der Arbeit in der Klinik zu langweilen begann. Die Arbeit als Coroner bot eine Herausforderung, die Gelegenheit, neue Fähigkeiten zu erwerben und Menschen zu helfen. Doch der Gedanke, Julia Matthews aufschneiden zu müssen und so ihren Körper noch mehr zu misshandeln, versetzte Sara einen Stich ins Herz.
Wieder betrachtete Sara das, was von Julia Matthews' Kopf geblieben war. Die Wirkung von Kopfschüssen war kaum je vorherzusehen. Meistens versanken die Opfer im Koma und vegetierten dann dank der Wunder moderner Wissenschaft den Rest ihres Lebens dahin. Julia Matthews hatte ihre Sache besser gemacht als die meisten Selbstmörder, als sie die Waffe unter dem Kinn ansetzte und dann den Abzug drückte. Das Geschoss war auf einer nach oben gerichteten Bahn in ihren Schädel eingetreten, hatte das Keilbein zerbrochen, war an der lateralen zerebralen Spalte entlanggepflügt und dann durch das Hinterhauptbein ausgetreten. Der Hinterkopf war weggesprengt, sodass man direkt in den Hirnkasten sehen konnte. Anders als bei ihrem früheren Selbstmordversuch, von dem die Narben an ihren Handgelenken Zeugnis ablegten, war
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