BELLAGIO -- Roman (German Edition)
Sex.
Hinterher ging es Alex schlechter als vorher, aber vielleicht war das ja auch der Champagner auf nüchternen Magen. Er hatte seit Tagen fast nichts mehr gegessen.
Schweigend zog sich Petra wieder an, winkte ihm kurz zu, grinste siegessicher und verschwand aus der Wohnung. ‚Das mache ich nicht mehr’, schwor sich Alex. Aus dem Alter war er heraus, in dem er Sex um jeden Preis haben wollte. Das war es nicht wert.
Er stand auf und packte weiter. Er freute sich auf die Fahrt nach Italien, er freute sich auf den Comer See. Plötzlich hatte er eine Idee. Er würde ja sowieso über Zürich fahren. Da könnte er doch gleich einen alten Freund Stefan besuchen! Für Stefan war er sicher auch noch der Alte. Der saß von morgens bis abends an seinem Computer und programmierte. Stefan war einer dieser genialen Freaks, die von der Außenwelt kaum etwas mitbekamen. Er würde noch nichts von seinem Bankrott gehört haben. Mit ihm würde er die Chance haben, sich an die schönen Zeiten im Studium zu erinnern. Schon damals musste Alex ihn mit Gewalt vom Computer wegzerren und ihn zum Essen und auch einmal in eine Bar mitschleppen.
Alex nahm sein Handy und suchte die Nummer heraus. Tatsächlich, hier stand er. Fast hatte er befürchtet, die Nummer nicht mehr zu haben. Aber hier stand er ‚Stefan Blaier’. Er drückte die grüne Taste auf seinem Handy und rief an. Aber Stefan nahm nicht ab. Deswegen sprach Alex auf seine Mailbox. Er würde bei ihm vorbeikommen in zwei Tagen. Aber er brauchte seine Adresse, die neue hätte er nicht. „Und tschüss, ich hoffe, du hörst es ab.“
Kaum hatte Alex aufgelegt, kam eine SMS herein. Ding.
‚Seefeldquai 17. Freue mich.’
Alex grinste. Typisch. Er wollte nicht ans Telefon gehen, bestimmt war er mitten in irgendeiner wichtigen Programmierung. Doch Multitasking, das konnte Stefan.
Gott, wie lange hatten sie sich jetzt nicht gesehen? 15 Jahre? Zum Glück hatte Stefan immer noch die gleiche Handynummer wie damals. Nein halt, er erinnerte sich, dass Stefan ihm vor einigen Jahren eine neue Nummer geschickt hatte. Doch zum Glück hatte er diese gespeichert. Alex schüttelte ungläubig den Kopf. Er hatte viel zu lange nur für den Beruf gelebt. Seine gesamten alten Freundschaften hatte er völlig vernachlässigt. Zwar schickte man sich ab und zu einen Weihnachtsgruß oder eine belanglose SMS alle Jahre wieder, um dem anderen zu zeigen, dass man ihn nicht ganz vergessen hatte. Aber der echte Kontakt, das, was Freunde ausmachte, war auf der Strecke geblieben. Das würde ein Wiedersehen werden.
X X X
Ela nahm die beiden Taschen von Chris aus dem Kofferraum. Ihr Auto stand auf dem großen Parkplatz des großen Hochhauses, in dem Ihre Eltern schon ewig lebten. Das Hochhaus, in dem Ela aufgewachsen war. Sie schaute an dem Haus hinauf. Immer, wenn sie hierher kam, überfielen sie unweigerlich Kindheitserinnerungen. Schöne Erinnerungen. Zum Beispiel an ihre beste Freundin Susi. Susi hatte im Erdgeschoss gewohnt, zusammen mit ihren Eltern und ihrem kleinen Bruder, der so süß und pausbäckig gewesen war. Die beiden Wohnungen lagen direkt übereinander und Susis Zimmer lag direkt unter ihrem eigenen. So konnten sie sich abends oder manchmal sogar nachts immer durch Klopfzeichen verständigen. Aus diesem Grund lernten die beiden Mädchen sogar das Morsealphabet. Als Chris klein war, hatte er ungeheuer bewundert, dass seine Mutter so etwas Cooles konnte. Irgendwann hatten ihre Eltern damals beiden sogar ein Walkitalki geschenkt, damit sie richtig miteinander reden konnten, auch wenn sie schon im Bett waren oder morgens beim Aufstehen. Natürlich gab es strikte Regeln, die dabei einzuhalten waren.
Doch dann war Susis Familie umgezogen in ein Reihenhaus in einem ganz anderen Stadtteil und sie hatten sich aus den Augen verloren. Was wohl aus Susi geworden war? Ela nahm sich vor, ihre alten Freunde wieder zu kontaktieren. Ja. Das würde sie ebenfalls in ihr Selbstbedürfnispflege-Programm mit aufnehmen. Ela lächelte vor sich hin.
„Was hosch’n?“, grinste Chris sie an. Manchmal machte er sich einen Spaß daraus, derbes Schwäbisch zu reden. Er wusste, dass er Ela damit ärgern konnte. Sie hatte darauf geachtet, dass er in hochdeutsch aufgewachsen war. Sie war zwar selbst hier geboren und aufgewachsen und sie konnte auch schwäbisch. Aber im Studium hatte sie es sich völlig abgewöhnt.
„Ich hab gerade an meine alte Freundin Susi gedacht. Du
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