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Belles Lettres

Belles Lettres

Titel: Belles Lettres Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Simmons
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zu mir: «Wissen Sie, Claire hat hier wirklich was drin», und tippte sich dabei an die Stirn. Und nicht nur da drin, dachte ich, sagte aber nichts, weil ich wußte, wie sehr Lou es genoß, aus Männern das Schlechteste herauszuholen. Jedenfalls befand sich Lou nicht in der Position, die es ihr ermöglicht hätte, Claire mit mehr als guten Ratschlägen weiterzuhelfen, während Mr. Margin sie tatsächlich protegieren konnte. Zumindest würde er es eventuell können, und genau das war's, worüber wir nachzudenken hatten.
    Ihre Rezension war noch konfuser, als ich befürchtet hatte. Ich selbst hatte den neuen Graham Greene noch nicht gelesen. Offenbar hatte sie sich die Druckfahnen unter den Nagel gerissen, als sie in der Redaktion angekommen waren, hatte sie mit nach Hause genommen und übers Wochenende ihre Rezension geschrieben. Bislang hatte ich auch noch nichts von Belang über das Buch gelesen. Also war ich genauso ahnungslos, wie jeder Belles Lettres -Abonnent es sein würde, aber nachdem ich Claires Text durchgegangen war, hatte ich immer noch keinen blassen Schimmer, worum es in dem Buch überhaupt ging.
    In diesem Gewerbe entdeckt man das schlecht Geschriebene in diversen Varianten. Es gibt die Variante mit simplen Fehlern: induzieren statt implizieren, überflüssig statt im Überfluß, desinteressiert statt uninteressiert, irisieren statt irritieren. Als Redakteur ist man derlei gewöhnt, und obwohl man sich fragt, wieso solche Autoren weiter schreiben wie sie schreiben, versteht man doch, wieso sie dennoch reüssieren können -als Redakteur unterstellt man, daß der Überfluß an Fehlern desinteressierte Lehrer impliziert, ist darüber nicht allzu irritiert und korrigiert die Fehler.
    Weiterhin gibt es die schwungvollen Schreiber, die sämtliche Gepflogenheiten der Sprachkonvention vom Tisch wischen. Mit diesen schlechten Autoren ist der Umgang schwierig, weil nicht mehr viel übrig bleibt, nachdem die Tautologien gestrichen, die Redundanzen ausgemerzt und die Anschlußfehler zur Logik gerufen worden sind; und der Redakteur, der den Text ursprünglich vielleicht in dem Geiste gelesen hat, in dem er geschrieben wurde, wundert sich über seine frühere Begeisterung. War's der Martini während der Mittagspause, die späte Stunde oder die Nachsicht, die um so milder stimmt, je länger man diesen Dienst am Text betreibt?
    Weiterhin gibt es den ambitiösen Autor, der Empathie statt Sympathie und ich persönlich statt ich benutzt; sein Glück mit spirituell statt religiös versucht, mit zentral statt wichtig, mit moppsig statt mollig (Barry Vellum verteidigte moppsig als Beschreibung einer Frau mit dicken Möppsen); und in jedem Satz Platz für in der Tat findet. Merkwürdigerweise ist dieser Mangel an Eleganz meistens dem Drang nach Eleganz geschuldet und befriedigt bei der Korrektur stärker als fast jeder andere Eingriff das Bedürfnis des Redakteurs nach Selbstachtung. Als dieser Drang einmal das Wort Impedimentiae hervorbrachte, für das die Redaktion den rhetorischen Begriff des «Doppelplural» erfand, ließ sich Mr. Margin dazu überreden, das Wort als Kuriosität in der Rezension zu belassen.
    Um Fehler zu korrigieren, muß der Redakteur allerdings verstehen, was der Autor sich beim Schreiben gedacht hatte. Normalerweise ist das einfach, weil das schlecht Geschriebene meistens in der einen oder anderen Weise zum gesprochenen Wort tendiert, und die Intention des gesprochenen Worts ist klarer als jede noch so gute Prosa. Bei Claires Rezension wußte man dennoch nicht, was sie meinte. Zwei oder drei Sätze ging es akzeptabel dahin, aber dann schrieb sie etwa: «Die Charaktere dieses Buchs existieren von Gnaden ihres vorurteilsvollen Einflusses auf die Wirklichkeit», oder: «Gut und Böse funktionieren hier zum Nachteil der meisten, wenn nicht gar aller subjektiven Implikationen»; oder: «In Graham Greenes Welt müssen wir uns Erlösung als subsummierte Verdammnis denken.»
    Ich begann damit, eine Reinschrift (wenn ich das einmal so ausdrücken soll) von Claires Rezension zu tippen, damit ich mir ein Bild machen konnte, das nicht von Mr. Margins panischem Lektorat geschönt war. Ich nahm die Sache an drei aufeinanderfolgenden Abenden in Angriff, Dienstag nüchtern, Mittwoch beschwipst, Donnerstag betrunken, konnte mir aber keinen Reim darauf machen. Am Mittwoch begrüßte mich Mr. Margin mit hoffnungsfroher Ungeduld. Am Donnerstag hatte er offensichtlich eine schlaflose Nacht hinter sich. Am Freitag ließ

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