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Belles Lettres

Belles Lettres

Titel: Belles Lettres Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Simmons
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ich es zu, daß er mich in sein Büro bat.
    Claires Schreibtisch stand direkt an der anderen Seite der Tür, weshalb er sie schloß. «Ist es so schlimm, wie ich dachte?»
    Ich nickte.
    «Schlimmer?»
    «Es ist wirres Zeug», sagte ich.
    «Kann man da gar nichts machen?»
    «Können    wir    ihr    nicht    einfach    sagen,    daß    es unpublizierbar ist?»
    Mr. Margins Schweigen wirkte so schmerzlich, daß ich sagte: «Okay, ich kümmere mich darum.» «Geht das denn?» «Es geht.» «Sind Sie sicher?» «Ganz sicher.»
    «Ich frage Sie erst gar nicht, wie.»
    «Das gehört eben zu meinem Job, Mr. Margin.»
    «Das wüßte ich aber», sagte er.
     
    Ich besorgte mir ein Exemplar von Greenes Roman. Er hieß «Ein erbärmlicher Irrtum» und handelte von einem linksgerichteten israelischen Zeitungsjournalisten, der sich der palästinensischen Sache annimmt, indem er über die elenden Lebensbedingungen auf der West Bank berichtet. Die Reportagen werden in einem linksextremen, israelischen Blatt publiziert und in der ganzen arabischen Welt aufgegriffen und nachgedruckt. Der neue Premierminister der Arbeitspartei ist ein Jugendfreund des Journalisten, und als dieser für den Nobel-Preis nominiert wird, muß der Premierminister sich entscheiden, ob er dem Rat eines bestimmten Kabinettsmitglieds folgen soll, den Journalisten beseitigen zu lassen, oder eine Spaltung seiner Partei zu riskieren. Das Problem wird dadurch gelöst, daß die CIA den Auftrag erledigt, weil der Einfluß des Journalisten inzwischen auch die gemäßigten Araber gegen Israel aufwiegelt.
    Am Samstag schrieb ich eine Rezension, überarbeitete sie am Sonntag und gab sie, ohne von Claire bemerkt zu werden, gleich am Montag früh Mr. Margin.
    «Ganz ausgezeichnet», sagte Mr. Margin, «hat aber nicht die geringste Ähnlichkeit mit dem, was Claire geschrieben hat.»
    «Sagen Sie einfach, daß Sie den Text etwas aufpoliert haben», sagte ich.
    «So blöd ist Claire nicht.»
    «Glauben Sie mir, Mr. Margin. Das ist genau das, was sie eigentlich sagen wollte.»
    «Aber es ist eindeutig Ihr Stil und Ihre Wortwahl.»
    «So ist es. Ich bin mir sicher, daß sie in meinem Stil schreiben wollte.»
    «Sie sind überheblich.»
    «Notwendigkeit ist die Mutter der Überheblichkeit.»
    Mr. Margin schwieg nachdenklich, aber zum ersten Mal, seit dieses Problem aufgekommen war, saß er wieder aufrecht auf seinem Stuhl.
    «Ich lasse mich darauf ein», sagte er.
    «Es wird funktionieren», sagte ich.
    «Natürlich», sagte er und seufzte den Seufzer der Erlösten.
     
    Als ich mittags zum Essen ging, sah ich, wie Claire die Rezension las, und als ich zurückkam, hörte ich an ihrem Tipp-Rhythmus, daß sie zufrieden war. Am Abend sah ich die beiden vor dem Gebäude und durfte davon ausgehen, daß ihr gemeinsames Abendessen entspannt ausfallen würde.
     
    Nachdem die Rezension erschienen war, rief Greenes amerikanischer Verleger an, erkundigte sich nach Claire Tippin und lud sie zum Essen ein, wo er ihr einen Brief Greenes präsentierte, aus dem hervorging, daß von allen Rezensionen des Buchs die von Belles Lettres die einzige vernünftige gewesen sei; aber Greene wies auch darauf hin, daß der Roman keine Nacherzählung der Christus-Geschichte sei, da es sich bei der Christus-Geschichte um eine positive oder negative Metapher für das Leben des Durchschnittsmenschen handele. «Wer Erlösung erheischt, vermeide das Naheliegende», lauteten des Briefs letzte Worte. Claire lieh sich den Brief aus und ging damit in der Redaktion hausieren. Greenes Verleger ließ die komplette Rezension als Anzeige in der New York Times nachdrucken, «im Dienste der Öffentlichkeit», und Claire gelangte in New York schlagartig zu bescheidenem Ruhm.
    Nichts von dem, was ich bislang geschrieben hatte, hatte je so viel Aufmerksamkeit erregt, und Mr. Margin war peinlich berührt, daß nicht mir die Anerkennung zufiel. «Ich kann Ihnen nicht mal eine Gehaltserhöhung geben», sagte er. «Ihre letzte Gehaltserhöhung hat Sie schon zum Spitzenverdiener in der Redaktion gemacht. Aber sagen Sie mir doch, was ich für Sie tun kann.»
    «Ich würde Sie gern zum Mittagessen einladen», sagte ich.
     
    «Ich hatte gehofft, daß wir einfach gemeinsam essen und plaudern können», sagte Mr. Margin, «aber ich fürchte, die Sache mit Claire ist noch nicht ausgestanden.» Er gab mir eine Nachricht von Mrs. Tooling:
    «Zwei Fragen: Seit wann beauftragen wir Sekretärinnen mit Buchkritiken? Und seit

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