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Belles Lettres

Belles Lettres

Titel: Belles Lettres Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Simmons
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Einzelgesprächen überredete er drei der sieben Mitarbeiter, zu anderen Protean -Zeitschriften zu wechseln. Sechs Monate später, nachdem alle den Wechsel vollzogen hatten, wurden die Betreffenden gefeuert und bekamen lediglich Abfindungen für vierzehn Tage. Die ersten beiden waren nur platt und sprachlos. Der dritte beging jedoch Selbstmord. Und der vierte drohte sogar mit einer Klage. Cyrus' Anwälte meinten zwar, daß ein derartiger Prozeß aussichtslos sei, aber die Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit warnte, daß The Village Voice nur darauf wartete, die Geschichte aufzublasen. Zudem hatte sich Protean damals eines Versuchs zu erwehren, die Firma gewerkschaftlich zu organisieren; und wenn die Geschichte in die Öffentlichkeit gelangt wäre, wäre das zu dem Zeitpunkt nicht sehr hilfreich gewesen. Alles in allem hielt man es also für besser, den Mann wieder einzustellen. Der Mann wollte aber gar nicht wieder eingestellt werden; er wollte klagen, und zwar wegen mentaler Grausamkeit und Verletzung seiner persönlichen Integrität. «Der Bursche», sagte Press, «ist mit 'nem Sack voll Geld nach Hause gegangen.»
    Ich sagte, daß ich wirklich nicht wüßte, was er sich von mir im Hinblick auf Virginia erwartete. «Ich kann ja nicht mit ihr verhandeln, weil ich nicht weiß, was Sie ihr anbieten wollen.»
    «Finden Sie einfach raus, was sie für Vorstellungen hat», sagte Press.
    «Sei's drum», sagte ich.
     
    Beim Mittagessen am nächsten Tag wich Virginia meinen Versuchen aus, das Thema Abfindung anzuschneiden, und als ich sie direkt fragte, ob man ihr Geld angeboten habe, sagte sie Dinge wie: «Sie wissen doch, wie das hier geht. Laber, laber, laber.» Als ich andeutete, daß ich bei diesem Gelaber vielleicht hilfreich sein könnte, kniff sie die Augen zusammen und sagte nur: «Vielleicht.» Sie überraschte mich auch damit, daß sie Bewunderung für die Änderungen äußerte, die Press betrieb. «Er hat schon eine tolle Karriere gemacht. Stellen Sie sich das doch mal vor, all diese Jobs in dem Alter! Allein schon die Diskussionen mit Newbold haben mich wieder zum Nachdenken gebracht. So viele gute Ideen hatte ich schon seit Jahren nicht mehr.»
    Ich wußte nicht, was ich damit anfangen sollte. Vor einer Woche hatte sie selbst noch zu mir gesagt, drei Minuten mit Press seien wie dreißig Minuten in der U-Bahn. Dann ging mir aber auf, daß sie gedacht haben mußte, ich handelte in Press' Auftrag und würde also ihre Komplimente an ihn weitergeben.
    Zum Glück trank Virginia ganz gern ein Gläschen Wein zum Essen. Nach dem zweiten Glas gab sie zu, daß Press ihr eine Abfindung angeboten hatte, aber vermutlich wisse ich gar nicht, warum: Mr. Tooling wolle nämlich Press' Posten durch sie besetzen.
    Ich zeigte angesichts dieser Enthüllung gedämpfte Überraschung und fragte sie so rücksichtsvoll wie möglich, wie sie an diese Information gekommen sei. Sie sagte, darüber dürfe sie nicht reden, aber sie stamme aus gewöhnlich gut informierter Quelle, «dicht an höchster Stelle».
    «Tja, und wie finden Sie das, Virginia? Wollen Sie den Posten überhaupt haben?»
    «Nicht für mich persönlich», sagte sie, «sondern für die amerikanische Literatur.» Andererseits gebe es natürlich jüngere Kandidaten als sie; doch wiederum andererseits, wie viele gebe es schon mit ihrer Erfahrung? «Ich würde Sie gern als meinen stellvertretenden Chefredakteur sehen», sagte sie, «vorausgesetzt, daß Sie willens sind, sich unterzuordnen, Frank.»
    Ich versicherte ihr so glaubhaft wie möglich meine entsprechende Bereitschaft.
    «Was glauben Sie, Virginia, wie schnell dieser Wechsel vonstatten gehen wird?»
    «Darüber darf ich nicht sprechen. Sagen darf ich immerhin so viel: eher früher als später.»
    Ich nickte verständnisinnig, und sie lächelte entsprechend. Um meine eigene Sprachlosigkeit zu brechen, fragte ich sie, ob wir die Sache nicht mit einem weiteren Glas Wein begießen wollten. Sie war einverstanden und fügte schüchtern hinzu: «Wir dürfen nie vergessen, daß man den Tag nicht vor dem Abend loben soll.»
    «Hoffentlich gilt das nicht in diesem Fall», sagte ich. «Und, Virginia, dürfte ich noch einen Vorschlag machen?
    Falls Press Ihnen einen Job bei einer anderen Protean- Zeitschrift anbieten sollte, müssen Sie mir versprechen, ihn abzulehnen.»
    Wieder kniff sie die Augen zusammen. Ob sie sich daran erinnerte, was vor Jahren mit den Leuten geschehen war, die den Job gewechselt hatten, oder ob sie sich

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