Belles Lettres
Eine Theorie geht davon aus, daß er 1890 in Chicago geboren wurde, eine andere, daß er aus Deutschland stammte. Gesichert scheint, daß er im Ersten Weltkrieg kämpfte und seit den zwanziger Jahren bis zu seinem Tod 1969 in Mexiko lebte.»
«Eins-Plus! Sie wollen also sagen, daß wir's nicht anpacken sollen.»
«Das habe ich nicht gesagt.»
«Was haben Sie denn gesagt?»
«Nur das, was ich gesagt habe.»
«Also gut, und was ist Ihre Meinung?»
«Ich habe keine Meinung.»
«Reißen Sie sich zusammen!» sagte Press.
Ed schlug ein Buch auf und begann zu lesen.
Barry Vellum sagte: «Warum drucken wir nicht einfach das, was Ed gerade gesagt hat, und damit hat sich's?»
«Wenn ich Ihre Meinung hören will, frage ich Sie danach», sagte Press.
«Newbold», sagte ich, «warum sagen wir dem Mann in Santa Fe nicht, daß er uns erstmal nähere Details nennen soll? Wir können dann immer noch entscheiden, sobald wir mehr von ihm gehört haben.»
«Kümmern Sie sich drum!» sagte Press und hielt mir den Brief so entgegen, daß ich aufstehen mußte, um ihn aus seiner Hand zu nehmen.
«Hok ay!» Press griff zu einem anderen Brief und sagte: «Lewis Auchincloss möchte eine Lobeshymne auf Gore Vidal ablassen. Was halten Sie davon... Virginia?»
«Hat Gore Vidal nicht mal eine Lobeshymne auf ihn in The New York Revue geschrieben?» fragte sie.
«Das war Louis Auchincloss», sagte Chuckle Faircopy.
Ich beobachtete Press. Es war schwer einzuschätzen, wie viel er von dem begriff, was besprochen wurde. Jedenfalls ließ er die Idee fallen und griff wieder zu seinen Schwergewichtlern.
«Tool und ich wollen die beiden Giganten, John und Saul, in den Ring schicken. Zusammen mit 'nem Mikro und 'nem Schiedsrichter sollen sie aufeinander losgehen. Wir drucken alles ab, die Ächzer, das Stöhnen, das Geseufze, als wären es Perlen der Weisheit. Ich frage nicht, ob das eine gute Idee ist - sie ist sogar sehr gut -, sondern ich frage, worüber sie sich streiten sollen.»
«Dürfte ich bitte etwas sagen?» fragte Barry Vellum.
Press nickte.
«Wieso sind Sie sich so sicher, daß sie aufeinander losgehen werden?»
«Weil's hier um Egos geht, um Platzhirsche, um 'ne Riesensache. Vielleicht müßte das Thema lauten: Wer hat die besseren Figuren? Wer hat die besseren Plots?»
«Wer hat den Größten, du oder ich?» sagte Barry.
«Sie haben's erfaßt.»
«Wenn sie noch gar nicht zugestimmt haben», sagte ich, «sollten wir sie vielleicht erst einmal fragen, ob sie überhaupt mitmachen wollen, und uns dann erkundigen, worüber sie reden oder worüber sie sich streiten wollen.»
«Kümmern Sie sich drum!» sagte Press zu mir. Dann zur Sekretärin: «Selma, nach der Konferenz holen Sie Irving und Bellow ans Telefon und stellen sie zu Frank durch.»
«Welchen zuerst?» fragte sie.
«Wen Sie zuerst erwischen», sagte Press.
Seit Rose Cloths Weggang hatten wir uns zeitweise mit Sekretärinnen aus Proteans Aushilfenkontingent beholfen. Als Press inthronisiert wurde, hatten wir eine junge Frau, die mit Literatur einigermaßen vertraut war. Mr. Margin hatte sie eigentlich fest einstellen wollen, aber dazu war es nicht mehr gekommen. Ich schlug Press vor, sie einzustellen, aber nach drei Tagen verlangte er einen Ersatz und hatte nun also Selma Watermark, eine ernsthafte Frau mittleren Alters und die einzige Person in der Redaktion, mit der Press freundlich umging. Anfangs dachte ich, daß sie ihn vielleicht an seine Mutter oder eine Tante erinnerte, aber dann dämmerte mir, daß er sie mochte, weil sie die einzige war, die von Literatur noch weniger Ahnung hatte als er selbst.
«Hokay! Jetzt mal ran an die Bücher! Freie Bahn für Sie, Frankie-Boy.»
Ed Princeps hatte wie üblich den höchsten Stapel vor sich liegen, und ich nickte ihm zu. Er begann nicht nur unter Verzicht auf seine üblichen einleitenden Scherze, sondern heuchelte vielmehr eine verdächtige Geschäftsmäßigkeit: «Vor mir liegt ein sehr ambitionierter, sehr phantasievoller Debütroman, in dem es um einen katholischen Jüngling geht, der von einer Glaubenskrise geschüttelt wird. So sehr er sich auch bemüht, kann er das Dogma der Wandlung nicht akzeptieren, das bekanntlich davon ausgeht, daß Brot und Wein, wenn sie geweiht werden, zu Leib und Blut Christi werden. Er will durchaus an das Dogma glauben. Eines Tages nimmt er während der Messe an der Kommunion teil, entfernt aber die Hostie aus seinem Mund und versteckt sie in einem Taschentuch. Er nimmt die
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