Belsazars Ende
Zweierreihen.
Berns motzte in einer Tour über die Scheißkälte und die Warterei.
Endlich kam Ackermann; zerzaust und dreckverschmiert, aber glücklich. »Chef! Wissen Sie, wat der Howard Carter damals gesacht hat, als er in dat Grab von dem Tutench-Amun kuckte? Wissen Se dat?,Ich sehe wunderbare Dinge’, hat er gesacht. Un’ dat werden Sie auch gleich sagen. Los! Kommen Sie!«
Alles stürzte hinter Toppe her, aber da hob Ackermann beide Arme: »Mooment! So nich’! Dat is’ viel zu gefährlich, Kinder. Da kann man bloß einzelnt rein. Ers’ der Chef un’ dann, würd’ ich sagen, Herr Rosenberg. Dat geziemt sich doch wohl so.«
Toppe stand am Eingang zu einer Art Kammer, einem kleinen Raum, der rechts am Ende des Ganges lag. Der Backsteinboden war hier relativ trocken.
»Ich hab’ ja bei mir zu Haus’ auch überall Dörpel«, sagte Ackermann hinter ihm und zeigte auf die hohe Türschwelle. »Jetz’ kann man ma’ kucken, wofür dat gut is. Schön trocken geblieben die ganze Chose.«
Toppe sah Koffer und Kästen, in Leintücher und Ölpapier eingeschlagene flache Rechtecke, Gemälde wohl, einen Seesack, einen bestickten kleinen Leinenbeutel.
»Mehr Licht«, schrie Ackermann, und Toppe mußte unwillkürlich lächeln über die plötzliche humanistische Bildung, aber es war sicher nur Zufall.
»Soll ich Rosenberg holen?« fragte Ackermann.
Toppe nickte. »Aber wirklich nur Rosenberg. Dann muß erst mal der ED hier runter.«
Rosenberg kam sehr langsam, sehr vorsichtig, blieb an der Türschwelle stehen und schaute lange, aschfahl.
»Der Beutel dort«, sagte er schließlich, »gehörte meiner Mutter. Es sind ihre Initialen.«
Dann drehte er sich um. Toppe folgte ihm.
Oben reichte Rosenberg ihm die Hand.
»Ich möchte jetzt gehen«, sagte er.
»Ich lasse Sie von einem Kollegen ins Hotel bringen.«
»Nein, danke. Ich möchte zu Fuß gehen. Auf Wiedersehen.«
Toppe schaute ihm nach und fühlte sich miserabel. Er sah, wie Astrid den Berg hinunterlief, Rosenbergs Arm nahm, neben ihm herging und kam sich auf einmal vor wie in einem Roman.
»Jetzt aber mal alle weg!« schnauzte Berns. »Ich will hier die nächste Stunde keinen mehr sehen!«
Damit verschwand er, van Gemmern im Schlepptau, mit seinen beiden schwarzen Koffern in der Tiefe.
»Is’ dat nich’ schön, Chef, dat der Herr Rosenberg jetz’ doch noch seine Sachen wiederkricht?«
»Moment mal«, mischte sich sofort der Denkmalschutzmensch ein. »So schnell geht das nicht. Die Sachen, wie Sie sagen, sind zunächst einmal Eigentum des Staates. Da könnte ja jetzt jeder kommen und Ansprüche anmelden.«
»Wohl nicht jeder«, sagte Toppe scharf. »Ich habe übrigens ein Tonbandprotokoll von einem Gespräch mit Herrn Rosenberg, das Ihnen bei der Klärung der Eigentumsverhältnisse behilflich sein wird.«
»Ich denke, meine Herren«, griff der Stadtdirektor beschwichtigend ein, »daß wir in dieser Angelegenheit recht kurzfristig eine Lösung finden werden, die allen Positionen gerecht wird.«
Dann verabschiedete er sich.
Vier Reporter drängten sich an Toppe heran und stellten Fragen, aber er winkte ab.
Die Menschenmenge zerstreute sich langsam. Es passierte ja doch nichts.
Die Reporter harrten trotz der Kälte und des einsetzenden Regens aus; sie waren so etwas gewöhnt.
Breitenegger und van Appeldorn schafften es, sich zu Toppe durchzuschieben.
»Und?« fragte van Appeldorn.
»Wie ich’s mir gedacht hatte«, sagte Toppe und sah die Reporter schreiben.
Breitenegger blickte ihn prüfend an. »Was ist los? Du siehst so unruhig aus.«
Toppe zog ihn weg von den Geiern. »Mir geht da die ganze Zeit was durch den Kopf. Ich muß dringend weg.«
»Na, dann nichts wie los«, klopfte ihm Breitenegger auf den Rücken. »Wir halten hier die Stellung.«
»Team um sechzehn Uhr?« fragte Toppe, schon halb im Gehen. »Ja. Ich sag’s den anderen.«
31
Das kurze Stück bis zum Stadtarchiv ging er zu Fuß.
Es war geschlossen, aber er klingelte, nahm seinen Dienstausweis aus der Tasche und als sich nichts tat, klopfte er ausdauernd.
Schließlich riß jemand die Tür auf. Dem Mann stand die Empörung ins Gesicht geschrieben.
»Können Sie nicht lesen?« bollerte er und musterte Toppe vom Kopf bis zu den lehmverschmierten Schuhen. Als Toppe ihm kommentarlos seinen Ausweis unter die Nase hielt, zuckte er zusammen, nickte dann: »Wir haben uns schon gefragt, ob Sie noch mal wiederkommen« und ließ ihn beflissen hinein.
Er war ein kleines Männlein
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