Ben - Alles auf Anfang (German Edition)
vielleicht ins öffentliche Schwimmbad gehen, um meine Morgentoilette zu beenden?“
Endlich kommt Bewegung in den Mann. Er richtet sich langsam auf und dann dreht er sich um. Meine Augen werden groß, und wenn man bedenkt, dass auch mein Mund die Form eines überraschten „O“ angenommen hat, ähnelt mein Gesicht vermutlich einer Bowlingkugel mit ihren drei Grifflöchern ...
Der Hausmeister,
Herr Lewin
– das ist niemand anderes als der Typ von gestern Abend! Der Süße mit dem Mülltrennungsfimmel! Damit habe ich nun echt nicht gerechnet.
Ein kühler Blick trifft mich aus seinen grünen Augen, und mir läuft eine ganz und gar nicht unangenehme Gänsehaut über den ganzen Körper.
„Wenn Sie gestern bei Ihrem Einzug in den Briefkasten geschaut hätten, wüssten Sie genauso Bescheid wie alle Anderen“, sagt er ruhig. „Wir haben hier im Haus 25 Mietparteien und nebenan nochmal 25. Wenn ich wegen sowas allen Mietern einzeln hinterher rennen soll, komme ich zu nichts Anderem mehr. Meine Pflicht ist es, schriftliche Mitteilungen der Hausverwaltung zu verteilen, und das habe ich getan. Aber beschweren Sie sich ruhig. Ist Ihr gutes Recht.“
Er reckt den Kopf etwas und stemmt ebenfalls die Hände in die Hüften. Im Gegensatz zu gestern Abend trägt er heute Morgen einen Blaumann, wie die Handwerker und darunter ein weißes T-Shirt, angenehm auf Figur geschnitten, soweit ich sehen kann. Kinn und Wangen ziert ein leichter Bartschatten, und die honigfarbenen Haare fallen ihm wuschelig in die Stirn. Jetzt streicht er sie sich mit einer energischen Bewegung zurück und meine Augen hängen an seinen Fingern. Wie schön, wenn das meine wären, die in diesen goldenen Strähnen wühlen …
„Sonst noch was?“ Seine knurrige Frage reißt mich aus meiner verworrenen Betrachtung, und ich kann nur den Kopf schütteln.
Er nickt und wendet sich ab. „Gut“, sagt er. „Ich hab` Weihnachten nämlich noch was vor!“
Und ich? Bin völlig aus dem Konzept gebracht und trete einfach mal stillschweigend den Rückzug an.
An den feixenden Handwerkern vorbei verlasse ich den Keller und bin fünf Minuten später wieder oben in meiner Wohnung.
Immer noch ohne Wasser.
Immer noch mit verklebten Haaren und einem unangenehm spannenden Gefühl auf der Haut.
Und immer noch mit einem Vorstellungstermin in zwei … nein jetzt nur noch eineinhalb Stunden.
Shit!
Fluchend reiße ich mein Handy aus der Tasche. Ich muss irgendwo duschen und bete zu Gott, dass einer meiner Kumpel zuhause ist!
Zuerst versuche ich es bei Manni. Der ist zwar Student, aber ich glaube nicht, dass er sich sehr oft vor dem Mittagessen an der Uni blicken lässt.
Doch es klingelt und klingelt, ohne dass sich jemand meldet. Offenbar hat er sich ausgerechnet diesen Tag ausgesucht, um mal pünktlich zu sein. Oder vielleicht wärmt er auch gerade das Bett irgendeiner Tussi, wer weiß das schon? Okay, dann also nächster Versuch: Jörn!
Jörn macht zwar eine Banklehre, und ich habe wenig Hoffnung, dass er zuhause ist, aber ich versuche es trotzdem.
Mit demselben Ergebnis.
Fluchend beende ich das Tuten im Hörer und tippe die letzte Nummer ein – Robin.
Robin war eigentlich immer derjenige, der am wenigsten in meine alte Clique gepasst hat. Er kommt aus einer ganz normalen Familie mit Durchschnittseinkommen und macht gerade eine Ausbildung zum Krankenpfleger. Er ist normalerweise ein stiller, unauffälliger Typ, und wenn ich es mir recht überlege, weiß ich auch gar nicht mehr so genau, wie er überhaupt in unserer Gruppe gelandet ist. Ich habe früher nicht wirklich viel mit ihm geredet, erst seit mein Freundeskreis an Schwindsucht erkrankt war, hat sich unser Kontakt intensiviert. Zu meiner Überraschung habe ich inzwischen festgestellt, dass er nicht nur einen verdammt klugen Kopf auf den Schultern spazieren trägt, sondern auch einen irre trockenen Humor hat. Ich mag ihn mittlerweile sehr, wenn auch nur als Freund, und jetzt gerade ist er meine letzte Hoffnung auf eine heiße Dusche!
Robin wohnt in einer WG, und es klingelt lange, ohne dass sich jemand meldet. Ich will schon auflegen, da klickt es im Hörer, und eine verschlafene Stimme meldet sich – Robin selber, wie ich erkenne.
„Rob? Hier ist Ben! Tut mir leid, wenn ich dich geweckt hab`, aber hör` mal – kann ich vielleicht vorbeikommen und mal eben bei dir duschen?“
„Was`n los?“ Er klingt verwirrt, und ich kann es ihm nicht verdenken. Er hört sich nicht so an, als wäre er geistig schon
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