Ben - Alles auf Anfang (German Edition)
er Schluss machen muss. Wir verabreden uns für den nächsten Abend, denn da ist Montag, und er arbeitet logischerweise tagsüber.
Nachdem wir uns verabschiedet haben, logge ich mich aus und gehe im Geist unsere Unterhaltung nochmal durch. Ich habe keinen Schimmer wie LanceAlots echter Name ist, was er arbeitet oder wie er aussieht, aber es ist mir im Moment auch schnurzegal. Er ist – nett, auch wenn ich diese Beschreibung einer Person eigentlich hasse wie die Pest. Wie heißt es so schön? Nett ist der kleine Bruder von Scheiße und klingt ungefähr so cool, wie eine Runde Damenbingo. Aber bei Lance trifft es zu und hat auch irgendwie keinerlei negativen Beigeschmack. Ich freue mich auf unseren nächsten Chat, und das nicht nur, weil ich nicht weiß, wie ich die Zeit sonst totschlagen soll, bis ich wieder gesund geschrieben bin.
Kurze Zeit später schellt es, und Manuel kommt zur Tür rein. Er benutzt immer noch meinen Zweitschlüssel, kündigt sich aber immer per Klingel an.
„Hallo, Ben!“, begrüßt er mich und wirft einen Blick auf den Laptop, der noch offen auf dem Tisch steht und die Startseite des Gaychat zeigt. „Na, dir scheint`s ja schon wieder gut zu gehen, wenn dir der Kopf nach fremden Kerlen steht.“ Er macht eine Pause, grinst frech und ergänzt: „Oder ist es vielleicht gar nicht der Kopf?“
„Man wird ja wohl noch chatten dürfen?“, wehre ich mich, kann aber nicht verhindern, dass meine Wangen leicht erröten.
Eigentlich bin ich ja nicht so der Typ, der schnell rot wird. Aber Manuel scheint die Gesetze meiner Anatomie einfach komplett auszuhebeln. Jetzt setzt er sich zu mir auf die Couch und fragt: „Und? Schon zu Abend gegessen?“
Ich schüttle den Kopf und er nickt.
„Dachte ich`s mir doch! Wie wär`s? Hast du Lust bei mir zu essen?“
„Bei dir?“ Ich staune.
„Ja, klar“, nickt er erneut. „In deiner Küche gibt`s ja nichts zum Kochen und immer alles hier hochschleppen? Da ist es doch einfacher, wenn du mit zu mir kommst. Laufen kannst du doch inzwischen wieder ganz gut, oder?“
Ich fühle mich zwar ein bisschen überrumpelt, aber hey? Wieso eigentlich nicht?
Ich bin eh neugierig, wie mein sexy Hausmeister so lebt. Das eine Mal, wo ich in seiner Wohnung war und er meinen Daumen verarztet hat, hatte ich ja nicht wirklich Augen für meine Umgebung. Also, von daher?
„Okay“, erkläre ich mich einverstanden.
Er nickt, und wir steigen gemeinsam die Treppen runter bis ins Erdgeschoss. Ich habe das Gefühl, dass er mich dabei im Auge behält, als würde er sich wirklich und wahrhaftig um mich sorgen, aber das ist vermutlich nur Einbildung.
In seiner Wohnung angekommen, sehe ich mich genau um und bin fast ein bisschen enttäuscht. Alles wirkt so – normal. Ich meine, nicht dass ich jetzt Gott weiß was erwartet habe, aber irgendwie eben doch … was Anderes als das hier.
Die Wände sind schlicht weiß gestrichen, und die Einrichtung sieht ein bisschen so aus, wie ich sie von einem etwas spießigen mittelalten Junggesellen erwarten würde. Ob er die Sachen womöglich von seinen Pflegeeltern übernommen hat? Oder im Second-Hand-Shop erstanden? Immerhin hat er ja gesagt, dass er finanziell nicht gerade gut dasteht.
Ein niedriger Sideboard in der schmalen Diele, daneben ein billiges Schuhregal. In der Küche eine Einbauzeile, meiner nicht unähnlich, dazu ein Küchentisch wie zu Omas Zeiten, ohne Tischtuch, dafür aber mit vier dazu passenden Stühlen. Das alles wirkt nicht so, als hätte er viel Geld für Schnickschnack übrig, und ich überlege, was Manuel in seinem Hausmeisterjob überhaupt so verdienen mag.
Vor dem Fenster steht ein Ficus auf dem Boden, reckt seine Zweige fast bis zur Decke und gibt dem Raum eine lebendige Note.
Ansonsten gibt es wenig Abwechslung fürs Auge. Zwei Bilder hängen an den Küchenwänden, eins davon ein Plakat für irgendeine Kunstausstellung von vor fünf Jahren, ungerahmt und mit Reißbrettstiften befestigt, das Zweite hinter Glas.
Es zeigt eine karge Dünenlandschaft mit Himmel, Sand, ein paar vereinzelten Grasbüscheln, die scharfe Schatten werfen und weit hinten, praktisch nur angedeutet, das Meer. Wenige Farben, sehr sparsam das Motiv, und doch hat das Bild eine Eindringlichkeit, die einen berührt.
„Gefällt`s dir?“, erklingt Manuels Stimme dicht hinter mir. Ich fahre herum, und da steht er, sieht mich an, und in seinen grünen Augen blitzt es.
„Jaaa“, sage ich gedehnt und versuche meine Nervosität und mein
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