Ben - Alles auf Anfang (German Edition)
verwirrt.
„Wie bitte?“, entfährt es mir, und er macht eine ausholende Bewegung mit beiden Armen.
„Sowas verkauft sich nicht! Die Kunden wollen heutzutage Bilder, in denen sie alles Mögliche sehen können, die Raum lassen für Interpretationen. Realismus – sowas wie das da! - das hängen sich höchstens finanzschwache Rentner an die Wand, um mal eine Abwechslung vom ewig röhrenden Hirsch zu haben! Nennt sich auch brotlose Kunst! Schon mal gehört den Ausdruck?“
Er klingt bitter, und mich beschleicht plötzlich ein Verdacht. Mit zusammengekniffenen Augen betrachte ich seine Miene, und dann spreche ich es einfach laut aus.
„Du hast das gemalt, oder?“
Diesmal zuckt er zusammen, aber dann hebt er den Kopf und reckt das Kinn in einer fast schon trotzig anmutenden Geste. Trotzdem habe ich einen Moment lang das Gefühl, zum allerersten Mal einen Blick hinter seine coole Fassade geworfen zu haben. Aber der Riss in derselben schließt sich beinah augenblicklich und lässt keinerlei Angriffsfläche zurück.
„Und wenn?“, knurrt er, steht auf und beginnt, den Tisch abzuräumen. Einen Augenblick lang sehe ich ihm zu, dann stehe ich ebenfalls auf und stelle mich dicht vor das Bild. In meinem Rücken rumort Manuel herum, doch ich achte kaum darauf, studiere Himmel, Dünen und Meer, folge mit den Augen jedem Pinselstrich. Ohne lange zu überlegen sage ich: „Also, ich würde es sofort kaufen, und ich bin weder Rentner, noch hab ich ein Faible für röhrende Hirsche. Allerdings bin ich im Augenblick finanzschwach – auch wenn das die einzige Übereinstimmung mit deiner Einschätzung ist.“
Grinsend drehe ich mich um, doch als ich Manuels Gesicht sehe, pralle ich regelrecht erschrocken zurück. Er steht mitten in der Küche, hält den Nudeltopf in der Hand, und sein Blick ist so wütend, dass ich Angst bekomme.
„Was ….?“, Weiter komme ich jedoch nicht, denn er macht einen Schritt auf mich zu und zischt mich wütend an: „Mach` dass du rauskommst! Sofort!“
Ich stehe da wie angewurzelt, starre entgeistert in das blasse, wütende Gesicht vor mir, in die Funken sprühenden Augen und verstehe gar nichts mehr.
Was hab` ich denn gemacht? Eben war doch noch alles in Ordnung?
Manuel kommt noch näher, stellt den Topf achtlos beiseite, packt mich am Arm und zerrt mich in seine Diele.
„Raus hier!“ Seine Stimme klingt heiser vor unterdrücktem Zorn, aber ich verstehe immer noch nichts.
„Was … was ist denn? Was hab` ich denn gemacht?“, frage ich hilflos, und da schleudert er mich auch schon aus seiner Tür in den Flur, greift in seine Hosentasche und wirft mir meinen Schlüssel zu.
„Was du gemacht hast?“ Er schnaubt. „Du kapierst es wirklich nicht, oder?“
Ich schüttle stumm den Kopf und erwarte schon, dass er mir einfach die Tür vor der Nase zuhaut. Aber er knallt mir zuerst noch einen Satz an den Kopf, der mich nach Luft schnappen lässt.
„Ich pfeif` auf dein Mitleid, Benjamin Böttinger!“
Und dann: Rumms!
Streichelzoo
Fünf Minuten später bin ich wieder oben in meiner Wohnung und noch genauso schlau wie vorher. Wieder und wieder gehe ich in Gedanken die Szene in der Küche durch. Alles war in Ordnung, bis zu dem Moment, wo ich davon gesprochen habe, sein Bild kaufen zu wollen. Aber was hat denn das mit Mitleid zu tun? Das Bild hat mir ehrlich gefallen, und wenn ich genügend Kohle dafür hätte, würde ich es wirklich verdammt gern kaufen!
Hat er das so sehr in den falschen Hals bekommen?
Unsere Unterhaltung fällt mir wieder ein, an dem Abend, wo er auf ein Bier hier bei mir war. Was er von seiner Mutter und seinem Studium erzählt hat. Er hat verdammt wenig Kohle und das wird auch noch lange Zeit so bleiben. Aber er hat sich nicht beklagt, um nichts gebettelt, sondern schlicht die Arschbacken zusammengekniffen und in den sauren Apfel gebissen.
Hat er etwa gedacht, ich wollte das Bild bloß kaufen, um ihm einen Gefallen zu tun? Oder ich hätte das nur so dahingesagt, aus dem gleichen Grund? Nee, oder?
Mechanisch mache ich mich bettfertig und krieche schließlich unter meine Decke, während ich mich im Geist immer noch mit der Angelegenheit beschäftige. Dabei geben sich Verwirrung, Trotz und Empörung in schöner Regelmäßigkeit die Klinke in die Hand und verhindern erfolgreich, dass der Schlaf das Kuddelmuddel in meinem Kopf zumindest für ein paar Stunden auflöst.
Scheiße, Mann! Ich will keinen Krach mit Manuel haben! Ich habe seine
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