Ben - Alles auf Anfang (German Edition)
vor den Duschen steht ein älterer Herr, Badeschlappen an den Füßen, ein Handtuch über der Schulter und den olivgrünen Kulturbeutel in der Hand.
Missbilligend mustert er uns, wie wir zusammen aus einer Dusche kommen und kommentiert: „Eine Schande sowas! Wir hätten uns das früher nicht getraut! Beschweren sollte man sich über Euch schwule Schweine! Dreckige Homos!“
Ich will schon einfach weitergehen, weil ich a) im Augenblick viel zu befriedigt bin, um mich über so einen dämlichen Korinthenkacker aufzuregen und b) sowieso der Meinung, dass es nicht lohnt, sich mit homophoben Arschlöchern anzulegen.
Aber Manuel sieht die Sache offenbar anders.
Er bleibt stehen, dann tritt er ganz dicht an den Opi heran. Mit einem Lächeln, bei dem sogar Hannibal Lecter Angst und bang werden würde, betrachtet er ihn und man sieht, dass der Alte Muffensausen kriegt.
„Lassen Sie mich in Ruhe!“, kräht er. „Sonst rufe ich die Polizei!“
Manuel legt die Stirn in Denkerfalten. „Die Polizei? Das ist eine gute Idee! Ja, wieso rufen wir nicht die Polizei?“ Er dreht sich zu mir um, und ich verliere ein bisschen den Faden bei der Angelegenheit. Worauf will er denn jetzt raus?
„Und wenn die dann schon mal hier sind, können Sie den netten Jungs in Blau vielleicht auch erklären, wieso Sie andere Badegäste belauschen. Ich bin sicher, das wird die brennend interessieren!“
Er fixiert den Mann, und dem ist anzusehen, wie es in seinem Kopf arbeitet. Er scheint regelrecht zu schrumpfen, und schließlich wendet er sich mürrisch ab.
„Macht doch was Ihr wollt!“, sagt er und steuert schnell eine der anderen Duschkabinen an. Wir sehen ihm nach, wie er hinter der Tür verschwindet und sie zuknallt, als hätte er Angst, wir würden ihm folgen, und Manuel schnaubt verächtlich.
„Der soll mal nicht so tun!“, sagt er.
„Was? Wieso?“, will ich wissen und er erklärt: „Na, was glaubst du, weshalb der ausgerechnet hier vor der Tür stand? Es sind genug Duschen frei! Was den gefuchst hat, war nicht dass wir es da drin getrieben haben, sondern dass es ihn angemacht hat!“
Ich starre, mit weit offenem Mund. „Meinst du das ernst?“
Er schaut mich an und grinst. „Na, logisch!“ Aber ich kann nicht sagen, ob es wirklich so ist, oder er mich nur veräppelt.
Aber ist ja auch egal. Ich muss zugeben, mir imponiert seine Art auch so. Ich wäre ja jetzt einfach stumm weiter gegangen und hätte den Alten ignoriert.
Nicht dass Manuels Aktion irgendwas Großartiges bewirkt hätte, aber zumindest hat der Typ gemerkt, dass er sich nicht alles bieten lässt. Und das ist nun mal irgendwie … cool. So wie der ganze Kerl!
Trotzdem ist mir die Lust am Freibad jetzt irgendwie verleidet.
Ich spreche Manu darauf an, und ihm geht es ähnlich. Wir packen also zusammen und verlassen das Bad knappe zwei Stunden nach unserer Ankunft. Es geht auf Mittag, und auf dem Weg nach Hause machen wir einen Abstecher in einen Discounter um einzukaufen. Wir brauchen noch was zum Mittagessen, und weil es so heiß ist, schlägt Manuel einen gemischten Salat mit gebratenen Putenstreifen vor. Das klingt gut, wie ich finde, und eine Dreiviertelstunde später verlassen wir den Supermarkt, mit zwei Tüten bepackt. Mit dem Bus fahren wir quer durch die Stadt, und bis unser Zuhause in Sicht kommt, sind wir beide mehr als hungrig.
Diesmal allerdings wirklich auf einen leckeren Salat!
„Wer ist das denn?“, höre ich Manuel brummeln und sehe hoch, folge seinem Blick und sehe jemanden vor der Eingangstür herumstehen, der scheinbar die Klingelschilder studiert. Er trägt einen Anzug und wirkt absolut deplatziert hier. Der Gerichtsvollzieher vielleicht? Kommt der etwa auch am Wochenende?
Aber irgendwas an dem Fremden kommt mir bekannt vor, und ich kneife die Augen zusammen. Gleich darauf reiße ich sie wieder weit auf, denn der Groschen ist endlich gefallen. Das da ist Markus, mein ältester Bruder! Was will der denn hier?
Ich ziehe die Brauen zusammen, denn was Gutes ist es bestimmt nicht, wie ich ihn kenne.
Er hat uns inzwischen bemerkt und schaut uns scheinbar sehr gelassen entgegen, was mein Misstrauen noch verstärkt. Als wir endlich nah genug herangekommen sind, öffne ich den Mund und will schon was Barsches von mir geben, doch Manuel kommt mir zuvor.
„Guten Tag, Herr Anwalt!“, sagt er, und mir bleibt jedes Wort im Halse stecken. Manuel kennt meinen Bruder? Hä?
„Sind Sie vorbei gekommen, um sich zu vergewissern, dass ich nicht
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