Ben - Alles auf Anfang (German Edition)
eingestellt ist, wie unser letztes Gespräch mich hat glauben lassen.
Schlagartig werde ich ruhig, wehre mich nicht mehr gegen seinen Griff, sondern stelle mich dicht vor ihn, sehe ihn an und frage: „Und wenn?“
Er zuckt die Achseln und grinst, bemüht sich um Lässigkeit, aber es wirkt künstlich.
„Nichts und.“ Sein Gesicht straft ihn Lügen.
„Pass auf, Bruderherz“, sage ich leise, „ob es Euch nun passt oder nicht, ich bin nun mal schwul! Durch und durch! Und Manuel ist der Mann, in den ich mich verliebt habe! Anstatt nun von oben auf ihn runter zu sehen, solltest du dich lieber in Grund und Boden schämen für die Nummer die du mit ihm vor Gericht abgezogen hast! Wann hast du als Anwalt eigentlich deine Integrität verkauft, hm? Wann ist die Kohle für dich wichtiger geworden?“
Ich rede mich immer mehr in Rage und verspüre eine gewisse Befriedigung, als im Gesicht meines Bruders plötzlich Unsicherheit aufscheint.
„Ihr fragt Euch, wieso ich nicht Jura studieren will? Wieso ich überhaupt nicht studieren will? Denk` mal nach!“, fordere ich und deute mit dem Finger in Richtung Haus.
„Dieser Mann, von dem du gerade so abfällig denkst, sitzt nicht mit weißem Hemdkragen hinter einem Schreibtisch und scheffelt Kohle, indem er die Interessen der Meistbietenden vertritt! Er arbeitet mit seinen Händen! Jeden einzelnen Tag! Er wühlt im Dreck, den Andere hinterlassen. Eigentlich ganz ähnlich wie Du, Paps und unsere Brüder. Aber weißt du was der Hauptunterschied zwischen ihm und Euch ist? - Wenn er nach Feierabend unter die Dusche steigt, dann kann er den ganzen Dreck wieder abwaschen!“
Das hat gesessen.
Ich sehe, wie Markus blinzelt und heftig schluckt. Sein Griff um meinen Arm lockert sich endlich, und ich mache einen Schritt von ihm weg. Noch immer bin ich auf Hundertachtzig, und auch wenn ich jetzt schon weiß, dass es mir später leid tun wird, was ich gerade gesagt habe, fühlt es sich im Augenblick einfach nur gut an.
„Und jetzt kannst du wieder abhauen. Fahr nach Hause, zurück in deine heile Welt, wo es keine Gerechtigkeit gibt, sondern nur Gesetze, hinter denen du dich verstecken kannst! Aber rechne besser nicht damit, mich da so bald wieder zu sehen. Da passe ich nämlich nicht mehr hin, sorry.“
Ich warte keine Antwort ab, sondern stürme durch die Haustür, renne den Gang entlang und stehe gleich darauf vor Manuels Tür.
Breaking Red
Mit wild schlagendem Herzen schelle ich, aber niemand öffnet.
Immer wieder drücke ich die Klingel, ohne dass eine Reaktion erfolgt.
Verdammt, was soll das denn jetzt bedeuten? Ich bin mir sicher, dass Manuel in seine eigene Wohnung gegangen ist, aber warum macht er mir dann nicht auf? Hat ihn die Begegnung mit meinem Bruder so aus der Bahn geworfen? Aber das würde doch so gar nicht zu ihm passen, zu meinem
Mr. McSexy und Obercool.
Und was hat er überhaupt gemeint, als er gesagt hat, ich soll mit meinem Bruder zurück nach Hause gehen?
Ich bekomme plötzlich eine Wahnsinnsangst, lasse Klingel Klingel sein und hämmere mit der flachen Hand gegen die Tür.
„Manuel!?“, rufe ich, und ein komisches Gefühl drängt sich mir in die Kehle. „Manuel, lass mich rein! Bitte! Hörst du?“
Noch immer keine Reaktion.
Scheiße Mann, was mach` ich denn jetzt? Wieso sperrt er mich so Knall auf Fall aus? Etwa weil mein Bruder der Anwalt ist, dem er seine beschissenen Lebensumstände verdankt? Dafür kann ich doch nichts!
„Ich hab das doch alles gar nicht gewusst, Manu! Wirklich nicht! Markus ist 24 Jahre älter als ich! Ich hab mich doch nie drum gekümmert, was er genau macht, wenn er seine Fälle verhandelt! Oder was das für Fälle sind! Und ich wollte doch eh nie Jura studieren, hab mich also sowieso nicht die Bohne für seine Arbeit interessiert! Bitte glaub mir das! Manuel!?“
Mir egal, wenn die ganze Nachbarschaft alles mitkriegt. Hier geht`s um was viel Wichtigeres als die Hausordnung, nämlich um mein Leben, Quatsch - UNSER Leben!
Endlich rührt sich was. Der Schlüssel klackt, und die Tür geht auf. Manuel steht auf der Schwelle, und ich versuche seinen Gesichtsausdruck zu deuten. Leider erfolglos.
„Kann … kann ich reinkommen, bitte?“, frage ich schüchtern, sehe ihn bittend an, und mein Herz schlägt schwer in meiner Brust, so als müsste es gegen einen zähen Widerstand arbeiten.
„Wozu?“, fragt er tonlos, und ich denke einen Moment lang, ich hätte mich verhört.
„Was meinst du damit –
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