Ben - Alles auf Anfang (German Edition)
mir durch die Brust, und ich kann spüren, wie sämtliches Blut in meinem Körper schlagartig nach unten sackt. In meinen Ohren beginnt es zu dröhnen, sämtliche Farbe weicht aus der Welt, und mir wird schlecht.
Ich bekomme am Rande noch mit, dass sich die Tür zu Manuels Wohnung schließt und drehe mich um, wie ein ferngesteuerter Roboter.
Auf Beinen, die nicht mir gehören, wanke ich zur Treppe, ziehe mich kraftlos am Geländer nach oben, Stufe um Stufe, und obwohl ich treppauf gehe, fühlt es sich an, als ginge ich abwärts in Richtung Hölle.
Was ist schon da oben?
Nur meine Wohnung. Leer, kalt, trostlos. Was soll ich da?
…
Aber irgendwann ist es geschafft, bin ich trotzdem da. Ich stehe in meiner Diele, die Tasche mit den Schwimmsachen fällt unbeachtet zu Boden.
…
Schwimmbad? Muss Ewigkeiten her sein … kann mich nicht mal mehr erinnern …
Noch immer habe ich ziehende Schmerzen, irgendwo auf Höhe der Lunge, und jetzt fällt mir auch das Atmen schwer.
Funkelnde Sternchen tanzen in meinem Blickfeld und meine Sicht beginnt sich zu trüben. Torkelnd marschiere ich los, will ins Wohnzimmer und mich dort erst mal hinlegen, aber plötzlich werde ich von einem heftigen Hustenanfall geschüttelt und muss mich an der Wand abstützen.
Jeder Hustenstoß fühlt sich an, als jagte man mir ein glühendes Messer in die Seite, und als ich die Hand vom Mund nehme, ist sie rot gesprenkelt.
Verfluchte Scheiße – gibt es das wirklich? Ein gebrochenes Herz? Im körperlichen Sinne? Oder was ist hier los?
Wieder muss ich husten, spüre, wie mir etwas Warmes aus dem Mundwinkel sickert und der Schmerz unerträglich zu werden scheint.
Ich sacke in die Knie, aber wie ich auf dem Boden aufkomme, spüre ich schon nicht mehr ...
Stillstand
Draußen vor meinem Fenster ist das Wetter umgeschlagen. Solange wie ich schon hier in diesem Zweibettzimmer liege, regnet es in Strömen. Praktisch ununterbrochen. Dicke Tropfen laufen an der Scheibe runter und könnten auch genauso gut ein Spiegelbild meiner Gemütslage sein.
Ich bin jetzt seit sechs Tagen hier im Krankenhaus, und seit genau sechs Tagen habe ich Manuel nicht mehr gesehen. Unsere letzte Begegnung war die bei ihm an der Wohnungstür. Danach bin ich zu mir nach oben gegangen und da zusammengebrochen.
Spontanpneumothorax
hat es der Oberarzt genannt, der zwei Mal pro Tag zur Visite kommt, sprich ein paar warme Worte an mich richtet und einen ebensolchen Händedruck dalässt, der später auf der Rechnung vermutlich als „eingehende Beratung“ und mit einem dreistelligen Betrag in Zahlen wieder auftaucht. Als Privatpatient ist man eben Doktors Liebling.
Natürlich hat mein Vater dafür gesorgt, dass ich allein im Zimmer bleibe. Wahrscheinlich hat er die Knochenbrecher hier im Haus schon bei unzähligen Kunstfehlerprozessen vertreten oder so, was weiß ich.
Es interessiert mich auch nicht. Nichts interessiert mich mehr wirklich.
In den ersten Tagen, habe ich jedes Mal, wenn die Tür zu meinem Zimmer aufging hochgeschaut, in der Hoffnung, Manuel käme doch noch.
Aber er kam nicht.
Dabei weiß er ganz genau, was passiert ist.
Meine drei Kumpel haben mich schon ein paarmal besucht und mir erzählt, dass Robin es gewesen ist, der mich gefunden hat. Er wollte mich besuchen, und als ich nicht aufgemacht habe, ist er runter zu Manuel, weil er gehofft hat, mich dort anzutreffen.
Aber Manuel hat ihn ziemlich kurzangebunden weggeschickt, mit der Bemerkung dass ich auf jeden Fall zuhause wäre. Also ist Robin wieder hoch und hat nochmal sein Glück an meiner Tür versucht.
Als sich wieder nichts gerührt hat, hat er mich auf dem Handy angerufen, und weil ich noch in der Diele gelegen bin, hat er es natürlich hinter meiner Tür bimmeln gehört.
Tja, dann hat Robin eins und eins zusammengezählt, und es gab den großen Aufstand, komplett mit Polizei, Feuerwehr und Notarzt. Manuel wurde gerufen und musste die Tür mit dem Generalschlüssel öffnen, hat also alles haarklein mitbekommen.
Robin hat gemeint, er sei schon arg fertig gewesen, als man mich da rausgetragen und in den Krankenwagen verfrachtet hat, bewusstlos und mit einem Schlauch im Hals.
Nur kapiere ich nicht, wieso er sich dann nicht blicken lässt? Bin ich ihm dermaßen egal? Hab` ich mich wirklich so sehr in ihm getäuscht?
Mittlerweile sehe ich jedenfalls kaum noch hin, wenn die Tür aufgeht. Es ist sowieso meistens die Schwester, die den Sog auf der blöden Drainage kontrollieren
Weitere Kostenlose Bücher