Ben Driskill - 02 - Gomorrha
respektierte sie, war von ihr beeindruckt, arbeitete gern mit ihr zusammen und, bei Gott, war von ihr verzaubert.
Sie war klein, ihre Haut hatte die Farbe von café au lait, in ihren Zügen und den obsidianschwarzen Augen funkelte koboldartiger Übermut. Sie trug das Haar immer kurz geschnitten, wie eine Badekappe mit schwarzen Spitzen auf der Stirn. Sie war schlank; präzise, perfekt organisiert und exquisit zusammengebaut. Sie konnte ein kleines Luder sein und kam damit durch, weil sie schwarz und schön war und zu gescheit und zu lustig und zu bissig bei ihren Attacken. Kein potentieller Kritiker wollte sich auf einen Kampf mano a mano einlassen, dazu zählten auch Menschen, mit denen Driskill nie in den Ring gestiegen wäre.
Als sie zur Generalstaatsanwältin ernannt wurde, war sie überrascht, daß die Presse so eine Riesensache aus ihrer Hautfarbe machte. Sie war eine anerkannte Anwältin, die in einigen von Drews sehr delikaten Gebieten tätig gewesen war: die Regierung, besonders die Geheimdienste. Ihr beruflicher Werdegang und ihr Hintergrund machten sie zur logischen Kandidatin für das Justizministerium. Einige Leute wollten sie sogar im Obersten Gericht sehen. Aber ihre Hautfarbe war es gewesen, die sie auf die Titelseiten von Time und Newsweek und des New York Times Magazine gebracht hatte.
Teresa Rowan war nicht verheiratet. Die Karriere war immer zuerst gekommen. Die Anforderungen waren streng, aber es machte ihr Freude. Vor langer Zeit, noch in der Bascomb-Kanzlei, hatte sie geglaubt, in Ben Driskill verliebt zu sein. Und wer wäre eine logischere Wahl gewesen als einer von Drew Summerhays’ Protégés aus einer anderen Generation? Beide waren ledig und konventionell genug, um eine schwarzweiße Verbindung ungemein aufregend zu finden, Driskill wurde Teresas Vertrauter, nach Drew ihr zweiter Mentor, ein Verbündeter auf der Karriereleiter. Nach einem Jahr harter Arbeit wechselte ihre Beziehung den Charakter und wurde zu einer tiefen Freundschaft. Beide hielten eine Ehe für unwahrscheinlich – Ben hatte noch nicht seinen Endkampf mit der Kirche begonnen, noch nicht seine geliebte jüngere Schwester verloren, Elizabeth noch nicht kennengelernt. Beide waren unglaublich beschäftigt und meist viel zu erschöpft, um eine romantische Beziehung zu hegen und zu pflegen. Daher entschieden sie sich, Freunde zu sein.
All das ging Ben Driskill durch den Kopf, als er durch das riesige Büro ging und Teresa ihm entgegenkommen sah. Das alles lag sehr lange zurück. Als er sie wie üblich umarmte, spürte er die kleinen festen Brüste und die zarten Schulterknochen. Begierde flackerte in ihm auf. Sie blickte zu ihm auf und lächelte schelmisch. Ihre Augen glänzten. Sie dachte, was er dachte. Und dann verschwand ihr Lächeln. Sie seufzte. »Was für ein Tag. Was für ein Tag.« Sie führte ihn über den karmesinroten Teppich zu ihrem Schreibtisch, einem langen Tisch, wo sie mit dem Rücken zu den schußsicheren Fenstern saß. Links davon war ein Kamin. Der Teppich hatte ein paar kaum sichtbare Flecken, eine Hinterlassenschaft von Bobby Kennedys Hunden, die samstags mit ihm und den Kindern manchmal mit zur Arbeit gegangen waren und nicht Gassi geführt wurden, wenn sie es dringend nötig hatten. Beim Betrachten des Kamins konnte Ben sich ausmalen, was für einen Spaß Bobby mit seinen Kindern an Wochenenden hier gehabt hatte. Sie hatten Picknicks veranstaltet, Hamburger über dem Feuer gebraten. Man hatte die Düfte noch draußen auf dem Korridor gerochen. Vor langer, langer Zeit. Geschichte. Die Mitwirkenden waren längst von den Titelseiten und von der Bühne verschwunden.
»Ich gebe mir Mühe, Drews Tod so gut wie möglich zu verarbeiten«, sagte sie. »Ich mußte dich sehen. Da gibt es einiges; wir müssen darüber reden. Wie hat der Präsident es aufgenommen?«
»Na ja, er hat im Augenblick so viele Probleme, daß er nicht weiß, wo ihm der Kopf steht.«
»Das brauchst du mir nicht zu sagen – du hast keine Ahnung, was für Sorgen er hat.«
»Was redest du da?«
»Ben, der Wahlkampf … wenn ich schon ausgebrannt bin, mußt du dir mal vorstellen, wie man sich fühlt, wenn man Präsident ist. Und meine Arbeit draußen in Langley. Es war brutal.« Sie seufzte.
Dann führte sie ihn in ein kleines Zimmer hinter dem großen Büro. Während der Clinton-Regierung hatte Janet Reno ihr Büro hier gehabt. Teresa hatte es ziemlich unverändert gelassen, benutzte es jetzt als eine Art Lesezimmer. Immer noch
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