Ben Driskill - 02 - Gomorrha
aber … aber er ist der Präsident. Das allein zählt. Er hat dich jetzt bereits dazu gebracht, einen Mord zu vertuschen, und wir sind erst am Anfang, die Wahrheit herauszufinden. Erinnerst du dich, was Drew uns gesagt hat: Kein Präsident ist ein verständnisvoller Mann. Am Abend der Amtseinführung hat er zu Charlie gesagt: Mach es dir nicht zu gemütlich, Sohn. Ehe du dich versiehst, ist’s Zeit zu gehen. Wir sind alle nur auf der Durchreise. Präsidenten glauben im Lauf der Zeit, sie gehörten dorthin, wo sie sind, daß ihr Job ewig dauert – und sie tun alles, um ihn zu behalten.«
»Heute abend liegt einer der größten Männer Amerikas tot auf Big Ram Island am Ende von Long Island in New York. Drew Summerhays, zweiundneunzig Jahre alt, ein politisches Kraftwerk für den Großteil des zwanzigsten Jahrhunderts, wurde heute im Gewächshaus seines wunderbaren Besitzes tot aufgefunden. Offenbar starb er von eigener Hand. Geoffrey Dickason ist unser Reporter in Big Ram. Geoffrey, viele Geheimnisse scheinen das Ableben Drew Summerhays’ zu umgeben. Was geht dort draußen jetzt vor?« John Hunter war im New Yorker Studio und sprach mit Dickason, einem jungen Neuling bei WCBS.
»Alles hier ist mysteriös, John. Mr. Summerhays’ Leiche wurde von dem Mann entdeckt, der sich mit seiner Frau um das große Haus kümmert. Er heißt Burt Molder.« Die Kamera fuhr zurück. Jetzt sah man das Eingangstor, bewacht von Polizisten, mehrere Streifenwagen standen da und blockierten die Straße. »Mr. Molder, sagen Sie uns, was Sie heute morgen sahen, als Sie hier ankamen.«
Burt Molder rieb sich die Nase und schnüffelte. »Ich konnte Mr. Summerhays nicht finden, als ich herkam. Da haben meine Frau und ich nach ihm gesucht. Die Tür vom Gewächshaus schlug hin und her. Wir sind hingegangen, und da haben wir ihn gefunden. Er war tot.« Molder war Mitte Sechzig und trug ein Arbeitshemd mit dem Aufdruck: Big Yank. Er war unrasiert. »Ich schätze, er hat sich erschossen. Aber ich kapiere es nicht, wirklich nicht. Das kann ich Ihnen sagen.«
»Die Waffe lag neben seiner Hand?«
»Ja, da war ’ne Waffe, logisch. Ich weiß nicht. Ich schätze, es war der Revolver, der …« Plötzlich liefen Tränen über das Gesicht des Mannes. »Er war ein feiner Mann. Drew Summerhays. Ich habe keinen besseren Mann gekannt.«
»Danke, Mr. Molder. Nun, John, es sieht wie ein klarer Fall von Selbstmord aus, aber Genaues weiß man nicht. Die Polizei hält sich sehr bedeckt. Sie ist seit zehn Uhr morgens im Haus. Was sie dort tut, vermag ich nicht zu sagen. Wir wissen nur, daß Mr. Summerhays mit dem Hubschrauber heute früh zurück nach Washington fliegen wollte, um mit einem Kollegen im Harvard Club zu frühstücken. Summerhays war ein enger Berater Präsident Bonners. Das ist alles, was wir im Augenblick wissen. Zurück zu Ihnen, John.«
Hunter ließ ihn noch nicht los. »Sagt irgend jemand etwas darüber, daß Summerhays dem Präsidenten so nahestand?«
»Nein, eigentlich nicht. Bis jetzt gibt es noch keinen offiziellen Sprecher für Summerhays, aber – meiner Meinung nach – wird seine Kanzlei, Boscomb, Lufkin und Summerhays, eine der angesehensten Sozietäten in New York City, heute abend einen offiziellen Sprecher herschicken.«
»Noch ein Wort zum Schluß, Geoffrey – gibt es irgendwelche Theorien, warum Drew Summerhays sich umgebracht haben könnte?«
»Noch nicht, John.« Regentropfen trafen auf die Kameralinse.
»Gut, danke, Geoffrey. Wie Sie sehen, recherchieren wir weiterhin sehr sorgfältig. Nochmals: Drew Summerhays ist tot. Ursache: ein Kopfschuß. Gerade jetzt hat sich in Washington die Pressesekretärin des Weißen Hauses, Alexandra Davidson, der Presse gegenüber geäußert.« Schnitt. Alexandra, in dunkelblauem Blazer, stand am Pult des Presseraums und sagte:
»Der Präsident ist über das Hinscheiden seines alten Freundes und langjährigen Beraters tief betroffen. Als Präsident Bonner die traurige Meldung erhielt, sagte er – ich zitiere: ›Drew Summerhays war ein Gigant in Zeiten, als wir von Giganten umgeben waren, und auch in Zeiten, als nur er allein von allen Männern unseres Landes einen gigantischen Schatten warf. Sein langes Leben war für uns alle ein Segen, beinahe siebzig Jahre hat er seinem Land gedient. Als Vermächtnis hat er uns hinterlassen: ein Amerika im Frieden, wirtschaftlich mächtig, mit einem moralischen Standard, der Beispiel für die Welt ist. Die Welt wird einen Führer
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