Benedict-Clan "Der Mitternachtsmann"
Ärmeln. Dass in ihren Augen ein Fünkchen Bewunderung aufleuchtete, bewirkte an seinem Ego Wunder. Es hielt ungefähr zwei Sekunden an.
„Und wohin willst du gehen?“ fragte sie zuckersüß. „Zu einer Beerdigung?“
„Ich begleite dich.“
Er machte sich auf eine Explosion gefasst. Sie blieb aus. Stattdessen schaute April ihn nur abschätzend an.
„Du weißt, was für eine Art Konferenz das ist?“ fragte sie schließlich.
„Genauso gut wie halb New Orleans, da es in den Morgenzeitungen stand.“
„Aber du weißt es nicht aus der Zeitung.“
Die Abschätzigkeit, die in ihrer Stimme mitschwang, brachte ihn in Rage. „Nein, ich habe es in deinem Rundbrief gelesen.“
„Ich wusste gar nicht, dass du dich für irgendetwas, was außerhalb von Tunica Parish passiert, interessierst, vor allem wenn es sich um etwas handelt, was ausschließlich Frauen betrifft.“
Er schaute ihr offen in die Augen. „Es gibt viel, was du nicht über mich weißt.“
Sie hielt seinem Blick lange stand, bevor sie schroff fragte: „Warum tust du das?“
„Weil es mir Spaß macht.“ Das stimmte zwar, aber es war nicht der einzige Grund.
„Du willst wirklich mit zu dieser Tagung kommen?“
Er zuckte wegwerfend die Schultern. „Warum nicht?“
„Du weißt nicht, worauf du dich da einlässt.“
Luke versuchte die grimmige Vorfreude in ihren Augen zu übersehen und mühte sich, sich seine Verunsicherung nicht anmerken zu lassen. „Ich werde es herausfinden.“
„Bestimmt wirst du das“, gab sie zurück. „Ganz bestimmt.“
Die Konferenz war gut besucht, zumindest in Lukes Augen. Überall sah man Frauen. Auf dem Hotelparkplatz entluden Frauen ihre Autos, vor der Anmeldung standen Frauen Schlange. In der Lobby saßen Frauen, ihre Handtaschen auf dem Schoß, während auf dem Boden neben ihren Füßen die Tragetaschen mit den Tagungsunterlagen standen, auf denen das Veranstalterlogo prangte. Frauen lachten und schwatzten und riefen einander etwas zu, während sie an den Aufzügen warteten. Die meisten von ihnen schienen April zu kennen. Diejenigen, die sie weder umarmten noch ihr zuwinkten, beobachteten sie interessiert mit einem kleinen Lächeln des Wiedererkennens. April machte seiner Meinung nach ihre Sache glänzend, vor allem, weil er sich die halbe Zeit nicht sicher war, ob sie sich wirklich an all die Frauen erinnerte, die auf sie zukamen, oder ob sie aus Höflichkeit nur so tat.
Luke war einerseits fasziniert von dem Einblick, den er in Aprils anderes Leben bekam, andererseits fühlte er sich aber auch nervös. Sie wirkte dermaßen makellos in ihrem blauen Kostüm und den hochgesteckten Haaren und verbreitete eine solche Aura von Erfolg um sich, dass sie ihm fast wie ein anderer Mensch erschien. Sie wurde, wie es aussah, mit aufrichtiger Wärme und Zuneigung behandelt, doch darunter schwang so viel Bewunderung mit, dass er stutzte. Plötzlich kam es ihm so vor, als ob alle anderen sie besser kannten als er. Er fragte sich, ob der Grund dafür wohl darin lag, dass alle außer ihm ihre Bücher gelesen zu haben schienen.
April erlaubte ihm, ihren Aktenkoffer zu tragen und an ihrer Seite zu bleiben, aber sie stellte ihn niemandem vor. Dass die Frauen, die auf sie zukamen, neugierig waren, ließ sich nicht übersehen. Sie streiften ihn mit spekulierenden Blicken. April ignorierte es vollkommen, ebenso wie sie ihn vollkommen ignorierte. Es machte ihn so fuchsteufelswütend, dass er am liebsten irgendetwas ganz Abscheuliches getan hätte, nur damit sie endlich von seiner Anwesenheit Notiz nahm. Eine mollige kleine Dame mit weißen Haaren und einem Glitzern in den Augen bewahrte ihn glücklicherweise vor einer Kurzschlussreaktion.
„Spannen Sie uns nicht länger auf die Folter, liebe April. Erzählen Sie uns, wer der gut aussehende Mann an Ihrer Seite ist“, drängte sie. „Sie haben doch nicht etwa heimlich geheiratet?“
„Um Himmels willen, nein“, verwahrte sich April, ohne mit der Wimper zu zucken. „Das ist Luke, er dient mir als Vorbild für meinen nächsten Helden. Finden Sie nicht auch, dass er der perfekte Was-zum-Teufel-schert-mich-das-Held ist?“
Luke fuhr herum und starrte sie an. Sie hielt seinem Blick mit Unschuldsmiene stand. Sie rächt sich, dachte er. Womöglich würde sie ihn sogar so lange demütigen, bis er sich auf dem Absatz umdrehte und davonrannte.
„Aber ja“, sagte die weißhaarige Lady, wobei sie ihm eine Hand auf den Arm legte und dabei so tief Atem holte, dass ihr wogender
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