Benedikt XVI
ausschließlicher Zustimmung hätte ich mich ernsthaft
fragen müssen, ob ich wirklich das ganze Evangelium verkündige.
Die Rücknahme der Exkommunikation
von vier Bischöfen der Piusbruderschaft im Januar 2009 ist ein erster Bruch.
Wir werden noch eingehend darauf zu sprechen kommen, auch auf die merkwürdigen
Hintergründe dieses Falles. Mit einem Mal gilt der zuvor so Hochgelobte, von
dem es hieß, er habe regelrecht ein "Benedetto-Fieber" ausgelöst, nun
als "Papst ohne Fortune", jemand, der die halbe Welt gegen sich
aufbringt.
Die
Kommentare sind katastrophal. Die "Neue Zürcher Zeitung" sieht sich
angesichts einer unvergleichlichen antipäpstlichen Medienkampagne veranlasst,
von "aggressiver Ahnungslosigkeit" der Journalisten zu sprechen. Der
jüdische französische Philosoph Bernard-Henri Levy merkt an, sobald die Rede
auf Benedikt XVI. komme, beherrschten nun " Vorurteile, Unaufrichtigkeit
und sogar die glatte Desinformation jede Diskussion. "
War die
Rücknahme der Exkommunikation ein Fehler?
Hier muss vielleicht zur Rücknahme
der Exkommunikation selbst etwas gesagt werden. Denn da ist unglaublich viel
Unsinn verbreitet worden, auch von gelehrten Theologen. Es ist nicht so, dass
diese vier Bischöfe, wie vielfach unterstellt wurde, wegen ihrer negativen Haltung
zum Zweiten Vatikanum exkommuniziert wurden. Sie waren in Wirklichkeit
exkommuniziert, weil sie die Bischofsweihe ohne päpstlichen Auftrag empfangen
hatten. Es wurde also nach dem hierfür geltenden Kanon gehandelt, der bereits
im alten Kirchenrecht stand. Danach werden jene mit der Exkommunikation
belegt, die ohne päpstlichen Auftrag andere zu Bischöfen weihen, und auch
diejenigen, die sich so weihen lassen. Sie waren also exkommuniziert, weil sie
gegen den Primat verstoßen hatten. Es gibt eine analoge Situation in China, wo
ebenfalls Bischöfe ohne päpstlichen Auftrag geweiht und daher exkommuniziert
wurden.
Nun ist es
so: Wenn ein solcher Bischof sowohl die Anerkennung des Primates im Allgemeinen
als auch des amtierenden Papstes im Besonderen erklärt, wird seine
Exkommunikation zurückgenommen, weil sie nicht mehr begründet ist. So machen
wir das in China - und hoffen, dadurch langsam das Schisma aufzulösen -, und so
verfuhren wir auch in den hier betroffenen Fällen. Kurz: Aus dem einzigen
Grund, dass sie ohne päpstlichen Auftrag geweiht worden waren, wurden sie exkommuniziert;
und aus dem einzigen Grund, dass sie nun eine Anerkennung des Papstes
aussprachen - wenn sie ihm auch noch nicht in allen Punkten folgen -, wurde
ihre Exkommunikation zurückgenommen.
Das ist an
sich ein ganz normaler rechtlicher Vorgang. Wobei ich sagen muss, dass hier
unsere Pressearbeit versagt hat. Es wurde nicht genügend erklärt, warum diese
Bischöfe exkommuniziert worden waren und warum sie nun, schon aus rein
rechtlichen Gründen, von der Exkommunikation losgesprochen werden mussten.
In der Öffentlichkeit entstand der
Eindruck, mit rechtskonservativen Gruppierungen gehe Rom sehr nachsichtig um,
während linke und liberale Protagonisten schnell mundtot gemacht würden.
Hier ging es einfach um eine klare
rechtliche Situation. Das Zweite Vatikanum war überhaupt nicht im Spiel. Auch
nicht die Frage sonstiger theologischer Positionen. Mit der Anerkennung des Primates
des Papstes waren diese Bischöfe rechtlich gesehen von der Exkommunikation zu
befreien, ohne dass sie dadurch Ämter in der Kirche erhalten hätten oder etwa
ihre Position, die sie zum Zweiten Vatikanischen Konzil einnehmen, akzeptiert
worden wäre.
Es gibt keine unterschiedlichen
Behandlungen von, sagen wir einmal, rechten oder linken Gruppierungen?
Nein. Alle sind an das gleiche
kirchliche Recht und an den gleichen Glauben gebunden und haben die gleichen
Freiheiten.
Auf den Fall Williamson werden wir
noch ausführlich zurückkommen.
Genau ein Jahr
später ziehen sich über der katholischen Kirche die dunkelsten Wolken
zusammen. Wie aus einem tiefen Schlund kommen aus der Vergangenheit unzählbare
und unfassbare Fälle sexuellen Missbrauchs ans Licht - begangen von Priestern
und Ordensleuten. Die Wolken werfen ihre Schatten auch auf den Stuhl Petri.
Von einer moralischen Instanz für die Welt, die einem Papst für gewöhnlich
zugestanden wird, spricht nun niemand mehr. Wie groß ist diese Krise? Ist sie,
wie gelegentlich zu lesen war, wirklich eine der größten in der Geschichte der
Kirche?
Ja, es ist eine große Krise, das
muss man sagen. Es war
Weitere Kostenlose Bücher