Benedikt XVI
gesagt, die Liebe zu den Opfern, das
Bemühen, ihnen alles Gute zu tun, um ihnen zu helfen, das Erlebte zu
verarbeiten.
Sie hatten sich bei verschiedenen
Gelegenheiten zu den Missbrauchsfällen geäußert, nicht zuletzt in dem gerade
angesprochenen Hirtenbrief an die Katholiken Irlands. Dennoch gab es nicht
aufhören wollende Schlagzeilen wie "Papst schweigt zu Missbrauchsfällen",
"Papst hüllt sich in Schweigen", "Papst Benedikt schweigt zu
Missbrauchsskandalen in der katholischen Kirche". Hätte man einiges nicht
noch häufiger, nicht noch lauter sagen müssen in einer so lauten, schwerhörig
gewordenen Welt?
Das kann man sich natürlich fragen.
An sich, so denke ich, war alles Wesentliche gesagt. Denn was für Irland galt,
war ja nicht nur zu Irland gesagt. Insofern war das Wort der Kirche und des
Papstes völlig klar, unzweifelhaft und überall zu vernehmen. In Deutschland
mussten wir zunächst auch den Bischöfen das Wort lassen. Aber man kann immer
fragen, ob der Papst nicht noch öfter reden muss. Das würde ich jetzt nicht zu
entscheiden wagen.
Aber letztlich müssen Sie es ja
entscheiden. Eine bessere Kommunikation hätte der Situation womöglich gutgetan .
Ja, das ist richtig. Aber ich
meine, dass einerseits das Wesentliche wirklich gesagt wurde. Und dass das
nicht nur für Irland gilt, war eigentlich klar. Andererseits gehört die
Stimme, wie schon gesagt, zuerst den Bischöfen. Insofern war es wohl nicht
verkehrt, etwas abzuwarten.
Das Gros dieser Vorfälle liegt
Jahrzehnte zurück. Dennoch belasten sie nun speziell Ihr Pontifikat. Haben Sie
an Rücktritt gedacht?
Wenn die Gefahr groß ist, darf man
nicht davonlaufen. Deswegen ist das sicher nicht der Augenblick, zurückzutreten.
Gerade in so einem Augenblick muss man standhalten und die schwere Situation
bestehen. Das ist meine Auffassung. Zurücktreten kann man in einer friedlichen
Minute, oder wenn man einfach nicht mehr kann. Aber man darf nicht in der
Gefahr davonlaufen und sagen, es soll ein anderer machen.
Es ist also eine Situation
vorstellbar, in der Sie einen Rücktritt des Papstes für angebracht halten?
Ja. Wenn ein Papst zur klaren Erkenntnis
kommt, dass er physisch, psychisch und geistig den Auftrag seines Amtes nicht
mehr bewältigen kann, dann hat er ein Recht und unter Umständen auch eine
Pflicht, zurückzutreten.
Wer in jenen Tagen die
Massenmedien verfolgte, musste den Eindruck haben, die katholische Kirche sei
ein einziges System von Unrecht und sexuellen Vergehen. Es gebe, so hieß es
wie aus der Pistole geschossen, einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen
katholischer Sexuallehre, Zölibat und Missbrauch. In den Hintergrund geriet,
dass es in nicht-katholischen Einrichtungen ähnliche Vorfälle gab. Aus dem
Mitarbeiterkreis der katholischen Kirche, so der Kriminologe Christian
Pfeiffer, kämen etwa 0,1 Prozent der Missbrauchstäter; 99,9 Prozent stammten
aus anderen Bereichen. In den USA liegt nach einem US-Regierungsbericht für das
Jahr 2008 der Anteil der Priester, die in Pädophilie-Fälle verwickelt waren,
bei 0,03 Prozent. Die protestantische Publikation "Christian Science
Monitor" veröffentlichte eine Studie, der zufolge die protestantischen
Kirchen Amerikas in einem weit höheren Anteil von Pädophilie betroffen sind.
Wird die
katholische Kirche beim Thema Missbrauch anders beobachtet und anders
bewertet?
Sie haben eigentlich die Antwort
schon gegeben. Wenn man die wirklichen Proportionen sieht, dann berechtigt uns
das zwar nicht dazu, wegzuschauen oder zu minimalisieren. Aber dann müssen wir
auch festhalten, dass es sich bei diesen Dingen um kein Spezifikum des katholischen Priestertums oder der katholischen Kirche handelt. Sie sind
leider einfach in der sündigen Situation des Menschen verankert, die auch in
der katholischen Kirche da ist und zu diesen schrecklichen Ergebnissen führte.
Es ist
allerdings auch wichtig, nun nicht zugleich all das Gute, das durch die Kirche
geschieht, aus dem Auge zu verlieren. Nicht mehr zu sehen, wie vielen Menschen
geholfen wird im Leiden, wie vielen Kranken, wie vielen Kindern beigestanden
wird, wie viel Hilfe geleistet wird. Ich denke, so wenig wir das Böse
minimieren dürfen, so sehr wir es leidend anerkennen müssen, so sehr müssen wir
doch auch dankbar sein und sichtbar machen, wie viel Licht von der katholischen
Kirche ausströmt. Es würde zu einem Kollaps ganzer Lebensräume führen, wenn sie
nicht mehr da wäre.
Und
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