Benedikt XVI
innere Einheit mit der so anders gearteten lateinischen
Weltkirche sieht. Dass wir uns bei allen Unterschieden, die die Jahrhunderte
aufgebaut haben und die durch die kulturellen Trennungen und anderes bedingt
sind, doch wieder wirklich in unserer inneren geistlichen Nähe sehen und
verstehen. Auf dieser Ebene, denke ich, machen wir Fortschritte. Das sind keine
taktischen, politischen Fortschritte, sondern Annäherungen in der inneren
Zugewandtheit. Das finde ich etwas sehr Tröstendes.
Aber wieso sollte diese Annäherung
große Bedeutung für "die Zukunft der Weltgeschichte" haben, wie Sie
erklärten?
Weil darin wieder unsere
gemeinsame Verantwortung für die Welt sichtbar wird. Wir könnten ja auch
ständig über alles Mögliche streiten. Oder wir können, ausgehend davon, was
uns gemeinsam ist, einen gemeinsamen Dienst tun. Und die Welt, das ist in
diesem Gespräch deutlich geworden, braucht ein begründetes, geistlich
fundiertes und rational getragenes Potential an Zeugnis für den einen Gott, der
in Christus zu uns spricht. Insofern ist unser Miteinander ungeheuer wichtig.
Kyrill betont das ebenfalls, gerade in der Auseinandersetzung um die großen
ethischen Fragen. Wir sind keine Moralisten, aber wir tragen vom Fundament des
Glaubens her eine ethische Botschaft, die den Menschen Orientierung gibt. Und
es miteinander zu tun, ist in der Krise der Völker von größter Bedeutung.
97 Prozent Kircheneinheit
sind laut Ökumene-Bischof Gerhard Ludwig Müller zwischen Orthodoxen und Katholiken
schon erreicht. Die restlichen drei Prozent seien die Präge nach dem Primat
und der Jurisdiktion des Papstes.
Sie haben
nicht nur die Tiara als Symbol von Macht aus dem Wappen genommen, sondern auch
die Bezeichnung "Patriarch des Abendlandes" aus den Papst-Titeln
streichen lassen. Der Bischof von Rom sei nur Erster unter Gleichen.
Bezeichnenderweise hatten Sie bereits als Kardinal im Jahr 2000 in dem Dekret "Dominus
Jesus" erklärt, dass es echte Teilkirchen gibt, "obwohl ihnen die
volle Gemeinschaft mit der katholischen Kirche fehlt, insofern sie die
katholische Lehre vom Primat nicht annehmen ..."
Wird
Benedikt XVI. das Papsttum umbauen zugunsten der Einheit des Christentums?
Da wären jetzt natürlich einige
Präzisierungen nötig. "Erster unter Gleichen" ist nicht genau die
Formel, die wir als Katholiken glauben. Der Papst ist Erster - und hat auch
spezifische Funktionen und Aufgaben. In diesem Sinne sind nicht alle gleich. "Erster
unter Gleichen", das würde die Orthodoxie ohne Weiteres annehmen. Sie
anerkennt, dass der Bischof von Rom der Protos, der Erste ist, das ist schon im
Konzil von Nizza festgelegt. Aber die Frage ist eben: Hat er spezifische Aufgaben
oder nicht? Schwierig ist auch das Zitat aus "Dominus Jesus". Aber
das sind Streitpunkte, da brauchte man mehr Worte, als ich jetzt aufwenden kann
...
Heißt das, Papst Ratzinger
widerspricht dem früheren Kardinal und Glaubenswächter Ratzinger?
Nein, das ist das Erbe des Zweiten
Vatikanischen Konzils und der ganzen Kirchengeschichte, das ich verteidigt
habe. Der Passus bedeutet, dass die Ostkirchen echte Teilkirchen sind, obwohl
sie nicht mit dem Papst in Verbindung sind. In diesem Sinne ist die Einheit
mit dem Papst nicht konstitutiv für die Teilkirche. Wohl aber ist der Mangel an
Einheit auch ein innerer Mangel in der Teilkirche. Denn die Teilkirche ist
darauf hingeordnet, einem Ganzen zuzugehören. Insofern ist die Nichtkommunion
mit dem Papst sozusagen ein Mangel in dieser Lebenszelle. Sie bleibt eine
Zelle, sie darf Kirche heißen, aber in der Zelle fehlt ein Punkt, nämlich die
Verknüpfung mit dem Gesamtorganismus.
Ich würde
auch nicht so mutig sein wie Bischof Müller, dass ich jetzt wagen würde zu
sagen, drei Prozent fehlen uns noch. Es gibt vor allen Dingen ungeheure
geschichtliche und kulturelle Differenzen. Über die Lehrfragen hinaus sind
noch viele Herzensschritte zu tun. Gott muss da noch an uns arbeiten. Deswegen
würde ich auch nicht wagen, irgendwelche Zeitprophetien zu geben.
Wichtig
ist, dass wir uns wirklich mögen, dass wir in einer inneren Einheit sind, dass
wir so nahe aufeinander zugehen, so viel miteinander arbeiten, wie wir nur können,
im Übrigen versuchen, die Restbestände an offenen Fragen aufzuarbeiten - und
bei all dem immer auch wissen, dass Gott uns helfen muss, dass wir es allein
nicht können.
Immerhin hält der
griechisch-orthodoxe Metropolit Augoustinos bereits heute einen Ehrenprimat
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