Benedikt XVI
Christenheit
zu erfassen und es positiv auszudrücken. Da kann man immer noch nach besseren
Wörtern suchen, aber die Grundunterscheidung ist berechtigt; sie ist ja schon
rein historisch gegeben.
Im Übrigen
ist noch einmal zu betonen, dass die kirchliche Situation der einzelnen
protestantischen Gemeinschaften sehr unterschiedlich ist. Sie definieren sich
auch untereinander sehr unterschiedlich, so dass man nicht von der protestantischen
Kirche sprechen kann. Es geht einfach darum, zu sehen, dass das Christentum im
Protestantismus sozusagen eine Akzentverschiebung vorgenommen hat, und dass
wir versuchen, das zu verstehen; dass wir uns gegenseitig als Christen
anerkennen und miteinander einen Dienst als Christen tun.
Und über die Definition, was
Kirche ist, kann auch ein Papst nichts anderes sagen?
Nein. Darüber kann er nicht
verfügen. Er ist an das Zweite Vatikanum gebunden.
Bei der Ökumene mit kirchlichen
Gemeinschaften des Westens konzentriert sich der Vatikan auf die Anglikaner,
den Lutherischen Weltbund, die Reformierte Weltallianz und den Weltrat der
Methodisten. Geöffnet sind die Pforten Roms bereits für übertrittswillige
Anglikaner. Mit der hierfür von Ihnen erlassenen Apostolischen Konstitution
entsteht erstmals eine eigene rechtliche und organisatorische Struktur für
Teilkirchen. Bisher war die Vorstellung der Einheit mit dem Bild der Heimkehr
in die lateinische Kirche verbunden. Ist das bereits der Präzedenzfall für
nachfolgewillige andere Gruppen?
Es ist jedenfalls ein Versuch, auf
eine spezifische Herausforderung Antwort zu geben. Die Initiative ist nicht von
uns ausgegangen, sondern von anglikanischen Bischöfen, die in ein Gespräch mit
der Glaubenskongregation eingetreten sind und vorgefühlt haben, in welcher
Form man zueinander kommen könnte. Sie sagten, dass sie vollständig den Glauben
teilen, der im Katechismus der katholischen Kirche beschrieben ist. Das sei genau
auch ihr Glaube. Man müsse nun sehen, wie weit sie ihre eigene Tradition, ihre
eigene gewachsene Lebensform mit allem Reichtum, der darin enthalten ist,
bewahren könnten.
Daraus ist
dann dieser Entwurf als ein Angebot entstanden. Wie weit es genutzt wird, wie
weit es in der Realität dann tragen wird, welche Entwicklungen und Variationen
es darin geben kann, das muss man noch sehen. Aber es ist immerhin ein
Zeichen, sagen wir, für die Flexibilität der katholischen Kirche. Wir wollen
zwar nicht neu unierte Kirchen schaffen, aber wir wollen Möglichkeiten bieten,
teilkirchliche Traditionen, Traditionen, die außerhalb der römischen Kirche
gewachsen sind, in die Gemeinschaft mit dem Papst und so in die katholische
Gemeinschaft einzubringen.
In den Beziehungen zwischen Kirche
und Muslimen löste Ihre "Regensburger Rede" vom 12. September 2006
eine gewaltige Kontroverse aus. Sie zitierten darin eine Stelle aus einem historischen
Buch, das den Dialog zwischen dem byzantinischen Kaiser und einem gebildeten
Perser über Islam und Christentum wiedergibt. ( Die
Vorlesung an der früheren Wirkungsstätte Joseph Ratzingers als Professor hatte
das Thema: "Glaube, Vernunft und Universität. Erinnerungen und Reflexionen".
Die Textstelle, in der Benedikt XVI. die Aussage des spätmittelalterlichen
byzantinischen Kaisers Manuel II. Palaiologos zitiert, ist im Anhang dieses
Bandes wiedergegeben.) Hinterher gingen in islamischen
Ländern christliche Gotteshäuser in Flammen auf, westliche Journalisten
schrieben wütende Kommentare.
Die Rede
wurde als erster Fehler des Pontifikats eingeordnet. War sie es?
Ich hatte die Rede als streng akademische
Rede konzipiert und gehalten, ohne mir bewusst zu sein, dass man eine
Papstrede nicht akademisch, sondern politisch liest. Durch die politische
Betrachtung wurde nicht mehr das Feingewebe beachtet, sondern ein Text
herausgerissen und zum Politikum, was er in sich nicht war. Er behandelte
eine Situation aus einem alten Dialog, der übrigens nach wie vor, denke ich,
von großem Interesse ist.
Der Kaiser
Manuel, der hier zitiert wurde, war zu jener Zeit schon Vasall des
Ottomanischen Reiches. Er konnte also gar nicht die Muslime attackieren wollen.
Aber er konnte im intellektuellen Dialog lebendige Fragen vorbringen.
Allerdings ist die heutige politische Kommunikation derart, dass sie solche
feinen Zusammenhänge nicht verstehen lässt.
Dennoch hatten
diese Ereignisse, nach all den schrecklichen Dingen, über die ich nur sehr
traurig sein kann, letztlich positive
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