Benedikt XVI
richtig; denn in einer Gemeinschaft,
in der das Beten und die Eucharistie das Allerwichtigste sind, kann nicht etwas
ganz verkehrt sein, was früher das Allerheiligste war. Es ging um die innere
Aussöhnung mit der eigenen Vergangenheit, die innere Kontinuität des Glaubens
und Betens in der Kirche.
Andererseits provozierte die
Entscheidung einen Streit um die im alten Ritus enthaltene Karfreitagsfürbitte
zur Bekehrung der Juden. Der New Yorker Rabbiner und Historiker Jacob Neusner
verteidigte diese Bitte mit dem Hinweis, sie liege "in der Logik des
Monotheismus". Auch gläubige Juden würden doch jeden Tag drei Mal darum
beten, dass eines Tages alle Nicht-Juden den Namen JHWHs anriefen.
Sie haben
schließlich den Text im Februar 2008 durch eine Neuformulierung ersetzen
lassen. Konnten Sie die Argumente der Kritiker nachvollziehen?
Zunächst einmal bin ich Herrn
Neusner sehr dankbar für das, was er gesagt hat, weil es wirklich hilft. Zweitens:
Diese Bitte betrifft nicht die allgemeine Liturgie, sondern nur den kleinen
Kreis derer, die das alte Messbuch benutzen. Sie hat also nichts an der
Großliturgie geändert. Aber dort, in der alten Liturgie, schien mir an diesem
Punkt eine Änderung nötig. Die Formulierung war dort so, dass sie für die Juden
wirklich verletzend war und zudem die große innere Einheit zwischen Altem und
Neuem Testament nicht positiv ausgedrückt hat.
Deswegen
glaubte ich, dass bei der alten Liturgie an dieser Stelle eine Änderung nötig
war, insbesondere, wie gesagt, mit Rücksicht auf unsere Beziehung zu den jüdischen
Freunden. Ich habe sie so abgeändert, dass darin unser Glaube enthalten ist,
dass Christus der Heiland für alle ist. Dass
es nicht zwei Heilswege gibt, dass also Christus auch der Retter
der Juden, nicht bloß der Heiden ist. Aber auch dahingehend, dass nun nicht
unmittelbar für die Bekehrung der Juden im missionarischen Sinne gebetet
wird, sondern dass der Herr die geschichtliche Stunde herbeiführen möge, in der
wir alle miteinander vereint sein werden. Deshalb sind die Argumente, die hier
von einer Reihe von Theologen polemisch gegen mich hingeworfen wurden,
unbedacht; sie werden der Sache nicht gerecht.
Ihr weitgehend unbeachtet gebliebenes
Motu Proprio "Omnium in mentem" vom Dezember 2009 ändert das
Kirchenrecht zu Diakonat und Ehe. Für die Gültigkeit einer Ehe ist fortan ohne
Belang, ob eine katholisch getaufte Person aus der Kirche ausgetreten ist,
etwa aus steuerlichen Gründen. Die Änderung, heißt es, strebe eine
Gleichbehandlung aller Katholiken an. Aber wird damit nicht auch bereits
klargestellt, dass jemand aus steuerlichen Gründen einen Kirchenaustritt
erklären kann - und dennoch Mitglied der Kirche bleibt?
Das ist ein Problem, das ich hier
nicht lösen kann. Das ist wirklich ein großer Disput, der zwischen Deutschland
und Rom geführt wird: Wie weit ist die Zugehörigkeit zur Körperschaft des
öffentlichen Rechts, die die Kirchensteuer einzieht, mit der Zugehörigkeit zum
geheimnisvollen Leib Christi, den die Kirche darstellt, identisch? Natürlich
muss die Kirche auch konkret verfasst sein. Sie braucht auch Leiblichkeit. Sie
braucht äußere Rechtsformen. Und natürlich gehört zum Christsein auch, dass
man etwas für die eigene Gemeinschaft tut. Das deutsche System ist ein ganz
besonderes, um das jetzt ein sehr wichtiger und, wie ich glaube, auch
nützlicher Disput zwischen den Organen des Heiligen Stuhls und der Deutschen
Bischofskonferenz stattfindet. Da möchte ich nicht vorgreifen.
Überraschung hat die Entscheidung
ausgelöst, Pius XII. den "heroischen Tugendgrad" zu verleihen, eine
Voraussetzung für die Seligsprechung, wobei hiermit kein historisches oder
politisches Urteil verbunden ist, sondern eine Wertung des seelsorgerischen
Wirkens.
Das Bild
von Eugenia Pacelli, der als Pius XII. von 1939 bis 1958 regierte, wurde in der
Öffentlichkeit insbesondere von dem Theaterautor Rolf Hochhuth geprägt, der
einen skrupellosen Machttaktiker zeichnet, den das Schicksal der Juden kalt
lässt. Mit dem tatsächlichen Pius XII., so wissen die Forscher inzwischen, hat
diese Figur kaum etwas gemeinsam. Insgesamt seien unter Pius XII., so der
Historiker Karl-Joseph Hummel, mit katholischer Hilfe bis zu 150.000 Juden vor
den Vernichtungslagern der Nazis gerettet worden.
Der
jüdische Philosoph Bernard-Henri Levy erklärte, die 1937 veröffentlichte
Enzyklika "Mit brennender Sorge", an der Pacelli als
Kardinalstaatssekretär
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