Benedikt XVI
christlichen Haltung
finden müssen, wie es sie in der Urchristenheit und in den großen Augenblicken
der Christenheit gab: die Freude und das Ja zum Leib, das Ja zur Sexualität -
gesehen als eine Gabe, zu der immer auch Disziplin und Verantwortung gehören.
Denn wie
immer gilt: Freiheit und Verantwortung gehören zusammen. Erst dann nämlich
wächst auch die richtige Freude, ist das richtige Ja möglich. Deshalb ist es
wichtig, dass wir das christliche Menschenbild, zu dem das Vatikanum II die
entsprechenden Impulse gegeben hat, wieder neu in seiner Positivität, in
seinem großen Ja entfalten.
Wie in "Deus Caritas est"
sprechen Sie auch in Ihrer nachfolgenden Enzyklika "Spe salvi" 1 und in der Sozialenzyklika "Caritas
in veritate" 2 , die die soziale Verantwortung
von Politik und Wirtschaft anmahnt, immer wieder von einer "christlichen
Existenz". Selbst der Unkundige ahnt, dass das etwas ist, was mit der
banalen Existenz des Wohlstandsbürgers nichts zu tun hat. Ist Christentum, wie
es der Papst versteht, demnach eine eher provozierende, radikale Kraft, die das
Gängige hinterfragt? Gerade auch, weil es Dinge sagt, die viele nicht einmal
zu denken wagen?
Ich würde über das, was früher
gedacht worden ist, nicht urteilen wollen. Aber es muss wieder gegenwärtig werden,
dass Menschsein etwas Großes ist, eine große Herausforderung. Die Banalität des
Sich-einfach-treiben-Lassens wird ihm nicht gerecht. Genauso wenig wie die
Einstellung, Bequemlichkeit sei die bessere Art zu leben, Wellness sei der
einzige Inhalt des Glücks. Es muss wieder spürbar werden, dass wir höhere
Ansprüche an das Menschsein stellen müssen, ja, dass sich gerade erst dadurch
das größere Glück eröffnet; dass dieses Menschsein gleichsam eine Bergtour ist,
bei der es schwierige Steigungen gibt. Aber erst durch sie gelangen wir in die
Höhe und können dann die Schönheit des Seins überhaupt erst erfahren. Das zu
betonen, liegt mir sehr am Herzen.
Eine der meistdiskutierten
Verkündigungen des bisherigen Pontifikats ist das Motu Proprio "Summorum
Pontificum" vom Juli 2007. Es soll den Zugang zur früheren lateinischen
Messe erleichtern, die bis dahin nur mit Genehmigung des jeweiligen
Ortsbischofs gefeiert werden durfte. In einem Begleitschreiben hatten Sie eigens
betont, die erneuerte Liturgie in der Landessprache bleibe der ordentliche, die
tridentinische Messe sei der außerordentliche Ritus. Es gehe dem Papst, so
erklären Sie, nicht um oft kleinliche Fragen nach dieser oder jener Form.
Grundlegend sei der kosmische Charakter der Liturgie sowie der große
Zusammenhang der christlichen Liturgie mit dem alttestamentlichen Erbe. Was
ist damit gemeint?
Das ist ein ganz großes Kapitel.
Es geht darum, dass man die Liturgie nicht als Selbstdarstellung der Gemeinde
begeht, wo man sagt, es sei wichtig, dass jeder sich selbst einbringt, und wo
am Schluss dann wirklich nur noch das "Ich selbst" wichtig ist. Es
kommt vielmehr darauf an, dass wir eingehen in etwas viel Größeres. Dass wir
gewissermaßen aus uns selbst heraus und ins Weite gehen können. Deshalb ist es
ja auch so wichtig, dass Liturgie nicht irgendwie selbstgebastelt wird.
Liturgie
ist in Wahrheit ein Vorgang, durch den man sich hineinführen lässt in das große
Glauben und Beten der Kirche. Aus diesem Grund haben die frühen Christen nach
Osten, zur aufgehenden Sonne hin gebetet, dem Sinnbild des wiederkehrenden
Christus. Sie wollten damit zeigen, dass die ganze Welt auf Christus zugeht und
Er diese Welt ganz umfasst.
Dieser
Zusammenhang mit Himmel und Erde ist sehr wichtig. Die alten Kirchen waren nicht
von ungefähr so gebaut, dass die Sonne in einem ganz bestimmten Augenblick
ihr Licht in das Gotteshaus wirft. Gerade heute, da uns die Bedeutung der
Wechselwirkungen zwischen Erde und Weltall wieder bewusst wird, sollte man auch
den kosmischen Charakter der Liturgie neu erkennen. Und ebenso den
geschichtlichen. Dass diese nicht irgendwann irgendjemand einfach so erfunden
hat, sondern dass sie seit Abraham organisch gewachsen ist. Solche Elemente aus
frühester Zeit sind in der Liturgie enthalten.
Was das
Konkrete angeht, so ist die erneuerte Liturgie des Zweiten Vatikanums die
gültige Form, wie die Kirche heute Liturgie feiert. Ich habe die vorangegangene
Form vor allem deshalb besser zugänglich machen wollen, damit der innere
Zusammenhang der Kirchengeschichte erhalten bleibt. Wir können nicht sagen:
Vorher war alles verkehrt, jetzt ist alles
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