Benedikt XVI
ihre Sexualethik
überhaupt verständlich zu machen. Ein brasilianisches Topmodel beispielsweise
meint, heutzutage gehe eben keine Frau mehr als Jungfrau in die Ehe. Ein
emeritierter Weihbischof kritisiert, die Fragen der Sexualität vor der Ehe
würden von der Kirche so beantwortet, "dass sie für die Menschen kaum
lebbar sind und wohl auch anders gelebt werden ".
Das ist ein großes Problemfeld.
Wir können in diesem Rahmen nicht auf die Vielschichtigkeit und die Details
eingehen. Dass vieles in diesem Bereich neu bedacht, neu ausgesagt werden muss,
ist richtig. Aber andererseits würde ich gegenüber dem, was das Topmodel meint
und was auch viele andere Menschen denken, festhalten, dass die Statistik nicht
schon der Maßstab der Moral sein kann. Es ist schlimm genug, wenn die
Demoskopie zum Maßstab der politischen Entscheidung wird und man danach
schielt: "Wo kriege ich mehr Anhänger?", anstatt zu fragen: "Was
ist richtig?". So sind auch die Umfrageergebnisse darüber, was man tut,
wie man lebt, nicht in sich schon der Maßstab für das Wahre und das Richtige.
Paul VI.
hat prophetisch Recht behalten. Er war der Überzeugung, dass die Gesellschaft
sich selbst ihrer großen Hoffnungen beraubt, wenn sie durch Abtreibung
Menschen tötet. Wie viele Kinder werden getötet, die einmal Genies werden
könnten, die der Menschheit Neues schenken, die uns einen neuen Mozart
schenken, die uns technische Einsicht schenken könnten? Man muss einmal
bedenken, welche Kapazität an Menschsein hier zerstört wird - ganz abgesehen
davon, dass ungeborene Kinder menschliche Personen sind, deren Würde und
deren Recht auf Leben wir zu respektieren haben.
Die Anti-Baby-Pille ist noch
einmal ein anderes Problem.
Ja. Was Paul VI. sagen wollte und
was als große Vision richtig bleibt, ist: Wenn man Sexualität und Fruchtbarkeit
grundsätzlich voneinander trennt, wie es durch die Anwendung der Pille
geschieht, dann wird Sexualität beliebig. Dann sind in der Folge auch alle
Arten von Sexualität gleichwertig. Dieser Auffassung, die die Fruchtbarkeit
als etwas anderes betrachtet, womöglich so, dass man die Kinder rational
produziert und sie nicht mehr als ein natürliches Geschenk sieht, ist ja auch
sehr schnell die Gleichbewertung der Homosexualität gefolgt.
Die
Perspektiven von "Humanae vitae" bleiben richtig. Nun aber wiederum
Wege der Lebbarkeit zu finden, ist etwas anderes. Ich glaube, es wird immer
Kerngruppen geben, die sich davon wirklich innerlich überzeugen und erfüllen
lassen und dann andere mittragen.
Wir sind
Sünder. Aber wir sollten es nicht als Instanz gegen die Wahrheit nehmen, wenn
diese hohe Moral nicht gelebt wird. Wir sollten versuchen, so viel Gutes zu
tun, wie wir können, und einander zu tragen und zu ertragen. Dies alles auch
pastoral, theologisch und gedanklich im Kontext der heutigen Sexualforschung
und Anthropologie so auszusagen, dass es verständlich wird, das ist eine große
Aufgabe, an der gearbeitet wird und an der noch mehr und noch besser gearbeitet
werden muss.
Unterstützung gäbe es zumindest
von dem ehemaligen Hollywood- und Sexsymbol Raquel Welch. Die US-Schauspielerin
sagt heute, die Einführung der Anti-Baby-Pille vor 50 Jahren habe zu Sex ohne
Verantwortung geführt. Sie schwäche Ehe und Familie und führe zu "chaotischen
Verhältnissen".
Lehnt die
katholische Kirche eigentlich jegliche Empfängnisregelung ab?
Nein. Es ist ja bekannt, dass sie
die natürliche Empfängnisregelung bejaht, die nicht nur eine Methode ist, sondern
ein Weg. Denn sie setzt voraus, dass man Zeit füreinander hat. Dass man in
einer Beziehung lebt, die von Dauer ist. Und das ist etwas grundlegend anderes,
als wenn ich ohne innere Bindung an eine andere Person die Pille nehme, um mich
schnell der nächstbesten Bekanntschaft hinzugeben.
Dass nur Katholiken an der
Eucharistie teilnehmen dürfen, wird als Ausschluss verstanden, von manchen gar
als Diskriminierung. Man könne nicht von der Einheit der Christen sprechen,
wenn man nicht einmal dazu bereit sei, gemeinsam am Altar das Vermächtnis Jesu
zu feiern. Was sagt der Papst dazu?
Nicht nur die katholische Kirche,
auch die gesamte Weltorthodoxie lehrt, dass nur, wer ganz im Glauben zu ihr
gehört, die Eucharistie empfangen kann. Vom Neuen Testament wie von den
Apostolischen Vätern her ist unmissverständlich, dass die Eucharistie das Innerste
der Kirche ist - das Leben im Leib Christi in der einen Gemeinschaft. Deswegen
ist
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