Benedikt XVI
gesprochen.
Dass wir sagen, Christus ist der
Sohn Gottes und in Ihm drückt sich die volle Gegenwart der Wahrheit über Gott
aus, das ist die eine Sache. Dass Wahrheiten vielfältiger Art auch in anderen
Religionen gegenwärtig sind, dass diese gleichsam Bruchstücke, Lichter aus dem
großen Licht haben, dass sie in gewisser Hinsicht auch eine innere Bewegung auf
Ihn hin darstellen, das ist die andere Sache. Zu sagen, dass in Christus Gott
gegenwärtig ist und uns damit der wahre Gott selbst erscheint und zu uns
spricht, schließt nicht aus, dass bei den anderen Religionen auch Wahrheiten
sind - aber eben Wahrheiten, die sozusagen auf die Wahrheit
verweisen. In dem Sinn ist der Dialog, in dem dieser Verweis sichtbar werden
soll, eine innere Folgerung der Situation der Menschheit.
Wie
geht Erneuerung?
Heiliger Vater, die Notwendigkeit
einer Reinigung und Erneuerung der Kirche wird niemand bestreiten, erst recht
nicht nach den jüngsten Missbrauchsskandalen. Die Frage ist nur: Was genau ist
die wirkliche, die richtige Erneuerung?
Sie haben
in dramatischen Worten deutlich gemacht: Das Schicksal des Glaubens und der
Kirche entscheide sich nirgendwo anders als "im Kontext der Liturgie".
Als Außenstehender könnte man denken: Es ist doch eher eine sekundäre Frage,
welche Worte bei einer Messe gesprochen werden, welche Haltung man einnimmt
und welche Handlungen vollzogen werden?
Kirche wird für die Menschen in
vielen Dingen sichtbar, in der Caritas, in Missionsprojekten, aber der Ort, wo
sie am meisten auch wirklich als Kirche erlebt wird, ist die Liturgie. Und das
ist auch richtig so. Schließlich hat Kirche den Sinn, uns Gott zuzuwenden und
Gott in die Welt hereinzulassen.
Liturgie
ist der Akt, in dem wir glauben, dass Er hereintritt und dass wir Ihn berühren.
Sie ist der Akt, in dem sich das Eigentliche vollzieht: Wir kommen mit Gott in
Berührung. Er kommt zu uns - und wir werden von Ihm erleuchtet. Wir bekommen
hier Weisung und Kraft in doppelter Form: Einerseits, indem wir Sein Wort
hören, so dass wir Ihn wirklich reden hören, von Ihm Wegweisung empfangen.
Andererseits, indem Er selbst sich uns in dem verwandelten Brot schenkt.
Natürlich
können Wörter immer auch anders sein, können Körperhaltungen anders sein. In
der Ostkirche etwa gibt es einige Gebärden, die anders sind als bei uns. In
Indien haben dieselben Gebärden, die wir gemeinsam benutzen, teils eine andere
Bedeutung. Worauf es ankommt, ist, dass wirklich das Wort Gottes und die
Realität des Sakraments im Zentrum stehen; dass Gott nicht von uns zerredet und
zerdacht und die Liturgie nicht zu einer Selbstdarstellung wird.
Liturgie ist demnach etwas Vorgegebenes?
Ja. Nicht wir machen etwas, nicht
wir zeigen unsere Kreativität, also all das, was wir so machen könnten. Liturgie
ist eben keine Show, kein Theater, kein Spektakel, sondern sie lebt vom Anderen
her. Das muss auch deutlich werden. Deshalb ist die Vorgegebenheit der kirchlichen
Form so wichtig. Diese Form kann im Einzelnen reformiert werden, aber sie ist
nicht jeweils durch die Gemeinde produzierbar. Es geht, wie gesagt, nicht um
das Selbstproduzieren. Es geht darum, aus sich heraus und über sich
hinauszugehen, sich Ihm zu geben und sich von Ihm anrühren zu lassen.
In diesem
Sinn ist nicht nur der Ausdruck, sondern auch die Gemeinschaftlichkeit dieser
Form wichtig. Sie kann in Riten unterschiedlich sein, aber sie muss immer das
haben, was uns aus dem Ganzen des Glaubens der Kirche, aus dem Ganzen ihrer
Überlieferung, dem Ganzen ihres Lebens vorausgeht und nicht bloß der augenblicklichen
Mode entspringt.
Heißt das, in der Passivität
verharren zu müssen?
Nein. Denn gerade dieser Ansatz
fordert uns ja heraus, uns wirklich aus uns, aus der bloßen Situation des Augenblicks
herausreißen zu lassen; uns in das Ganze des Glaubens hineinzubegeben, es zu
verstehen, innerlich daran Anteil zu nehmen und dem Gottesdienst dann auch die
würdige Form zu geben, durch die er schön und zur Freude wird. Das ist ja in
Bayern ganz besonders geschehen - etwa durch die große Blüte der Kirchenmusik
oder auch das Aufblühen der Freude im bayerischen Rokoko. Es ist wichtig, dass
man dem Ganzen auch die schöne Form gibt, aber immer im Dienste dessen, was
uns vorausgeht, und nicht als etwas, das wir zunächst erst einmal machen
müssten.
Was die Heiligkeit der Eucharistie
angehe, gebe es keinerlei Spielraum, erklärten Sie. Sie sei der Dreh- und
Angelpunkt
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