Benkau Jennifer
Richtung Autobahn. Sie war noch um keine drei Straßenecken gebogen, als sich im Rückspiegel die Schemen eines dunklen Wagens abzeichneten. Kaum erkennbar, denn er fuhr ohne Licht.
„Kacke“, wisperte Helena und trat das Gaspedal durch. Auf ihrer Flucht verpasste sie die Abzweigung zur Autobahn. Die Landstraße führte sie zwischen Feldern und Weiden hindurch, hinter denen sich einzelne Häuseransammlungen dunkel wie Scherenschnitte vor dem wolkigen Himmel abzeichneten. Alle Fenster glotzten schwarz in die Nacht. Abgesehen von Faltern und anderem Getier, deren Chitinpanzer an der Windschutzscheibe ihres Wagens zerschellten, waren die ängstlich herumschauende Cat und sie vollkommen allein. Allein mit dem unbeleuchteten Wagen, der sich in stetem Abstand hinter ihnen hielt.
Ein Ortseingangsschild schoss wie ein verzerrter gelber Fleck an ihr vorbei und Helena musste wie eine Verrückte durch ein kleines Dorf rasen. Der andere Wagen kam bedrohlich nahe. Als sie einen Blick über die Schulter riskierte, nahm sie wahr, dass ihr Verfolger einen Porsche ohne Nummernschild fuhr. Sie machte die Umrisse seiner breiten Schultern hinter dem Steuer aus und glaubte, ein höhnisches Lächeln zu erkennen, bei dem seine Zähne aufleuchteten. Ihre Panik kochte über. Hilflos drückte sie die Hand auf die Hupe, um jemanden auf sich aufmerksam zu machen. Der SOS-Morsecode fiel ihr ein. Dreimal kurz, dreimal lang, dreimal kurz. Irgendjemand musste ihr doch helfen!
Weitere Minuten jagte er sie einfach geradeaus. Helena drückte den CD-Player an, drehte die Lautstärke hoch und brüllte Strawberry Fields mit, so laut, dass ihre Hündin den Kopf schüttelte, weil die Musik und Helenas schrilles Geschrei ihr empfindliches Gehör marterten.
Nichts half, um die Angst zu vertreiben, aber es hielt Helena zumindest davon ab, in einen hysterischen Weinkrampf zu verfallen, der unweigerlich im Straßengraben geendet hätte.
Der nächste hastige Blick in den Rückspiegel offenbarte ein flackerndes, schwaches Licht am Ende der Straße. Sie wagte kaum, ein zweites Mal hinzusehen, ob der Schein stärker geworden war. Doch das war er, eindeutig. Ihr Hoffnungsschimmer hatte sich nicht als Trugbild herausgestellt. Der einzelne Scheinwerfer eines Motorrades folgte ihnen.
Leider hatte dies auch ihr Jäger registriert, der schwarze Wagen drängte näher an ihren heran, und Helena konnte nicht schneller fahren, ohne Gefahr zu laufen, die Kontrolle über ihr Auto zu verlieren. Die Stoßstangen touchierten sich. Nur ein leichter Stoß, der ihr aber fast das Lenkrad entriss. Sie brüllte einen heiseren Fluch und ließ die Hupe erneut um Hilfe plärren. Hinter ihnen antwortete das verhaltene Jaulen eines Martinshorns, intervallartig leuchtete blaues Licht auf. Ein Polizist. Eine Motorradstreife. Fast hätte sie einer höheren Macht gedankt, ehe ihr der Gedanke kam, dass auch der Polizist nichts gegen einen Dämon ausrichten konnte. Sie wusste nicht einmal, ob er den Wagen des Dämons sehen konnte.
Als das Motorrad bedrohlich knapp hinter dem schwarzen Porsche ausscherte und sich in einem geschmeidigen Bogen neben sie setzte, fand sie ihre Antwort. Der Polizist nahm nur sie wahr. Mit Handzeichen wies er sie zum Halten an. Er sprach in sein Mikrofon, doch wegen des Krachs der Musik hörte Helena die durch die Lautsprecher tönenden Worte nicht.
Der Polizist zwang sie wild gestikulierend Richtung Straßenrand. Helena liefen die Tränen über, als sie panisch den Kopf schüttelte. Der Porsche füllte ihren Rückspiegel. Konnte es schlimmer kommen?
Das konnte es.
Der Polizist verlor die Geduld, da Helena das Gas weiter durchtrat. Er zog seine Waffe.
„Platz!“, kreischte Helena Cat an, selbst so weit im Sitz niederrutschend, wie es möglich war, ohne die Straße aus dem Blick zu verlieren. „Runter, leg dich hin, Platz, Cat! Platz!“
Der Dämon im Porsche hinter ihr begann nun seinerseits zu hupen. Demonstrativ hielt der Polizist die Waffe hoch, wies mit einem scharfen Blick ein weiteres Mal gen Straßenrand. Dann zielte er auf ihre Reifen. Oh Himmel, so was gab es doch nur im Film! Ehe er abdrücken konnte, setzte der Porsche sich plötzlich mit einem gewaltigen Vorstoß neben Helena, sodass das Motorrad zwischen ihnen eingekeilt war, ohne dass der Polizist dies bemerken konnte. Helenas Herz geriet ins Stolpern. Als sie sich am Lenkrad festhielt, verlor sie fast die Kontrolle über ihr Auto, denn auch Georg richtete eine Waffe aus dem geöffneten
Weitere Kostenlose Bücher