Benkau Jennifer
Pfanne an und bestrich es ganz nach ihrem Geschmack mit reichlich Butter und wenig Brombeermarmelade. Er hatte sogar noch eine dieser obskuren pinken Früchte, die sie so liebte.
Sie aß das späte Frühstück nicht, sie verschlang es gierig, kippte den Tee hinterher, ohne einmal abzusetzen, und verdrückte daraufhin noch eine halbe Tafel Trauben-Nussschokolade. Dann rollte sie sich an seiner Seite zusammen, atmete durch und fiel keine drei Minuten später in einen Schlaf abgrundtiefer Erschöpfung.
Samuel nutzte die Zeit, um angestrengt nachzudenken. Ein zweites Mal würde sie sich nicht so leicht überzeugen lassen, vernünftig zu sein. Er musste seine Worte mit Bedacht wählen. Leider merkte er beim Anblick ihrer in sein Hemd vergrabenen Finger sofort, dass es schwer werden würde. Keine Sprache, die er kannte, besaß die Worte, die sie überzeugen würden, denn Helena zählte nicht zu der Art Menschen, die aufgaben. Sie würde sein Leben ebenso riskieren wie ihr eigenes, statt das hinzunehmen, was sie für eine Ungerechtigkeit hielt. Im Gegensatz zu ihm akzeptierte sie ihr Schicksal, nahm dessen Herausforderungen an, ohne sich in Fatalismus treiben zu lassen. Nein, sie trieb ihr Schicksal selbst voran, egal, in welche Richtung es sie führte.
Als Helena erwachte, war es Nachmittag. Samuel hatte sich nicht von der Stelle bewegt, sie lag noch immer in seinem Arm und er sah sie mit dem gleichen Ausdruck liebevollen Unverständnisses an.
„Geht es dir besser?“
Sie streckte sich zur Antwort, lächelte matt und brummte eine Zustimmung. Besser war kein Ausdruck. Sie fühlte sich wieder existent. Von der Membran befreit, die sie von der Welt getrennt hatte, solange sie nicht bei ihm gewesen war. Sie tat das Richtige, das war ihr nun klar. Die Frage lautete, wie sie ihm das begreiflich machen sollte.
Samuel stand auf, holte zwei Halbliterflaschen Cola aus dem Kühlschrank und reichte ihr eine, während er seine benutzte, um seine Schläfen und Wangen zu kühlen, als schmerze ihn der Kopf.
„Gib mir einen Versuch, dich vor Dummheiten zu bewahren“, bat er schließlich und ließ sich auf dem Boden vor der Couch nieder. „Hör mir eine Minute zu und widersprich nicht. So gern ich dich im Arm halte, glaube ich nämlich nach wie vor, es wäre vernünftiger, wenn du mich vergisst und irgendwo …“
Die Cola prickelte ihr kalt in der Nase. Helena war augenblicklich hellwach. Verärgert. Und nicht im Geringsten bereit, seiner Forderung Folge zu leisten. „Dich vergessen, ja? Sag mal, hast du eigentlich irgendetwas aus deiner Vergangenheit gelernt?“
„Das ist etwas vollkommen anderes.“ Seine Stimme blieb ruhig. „Helena, ich lebe schon lange …“
„Du lebst schon lange?“ Ihre Stimme überschlug sich. „Wie kommt es dann, dass du nicht weißt, wie es ist, sich zu betrinken, und wie es sich anfühlt, zu leben, ohne ständig auf die Uhr zu sehen? Wie kommt es, dass du wie ein Kind im Wald spielst? Du sehnst dich danach zu tun, was du möchtest und der zu sein, der du eigentlich bist. Du lebst nicht, Samuel, du wünschst es dir nur.“
Sie verstummte. In den letzten Tagen hatte er vom Leben gekostet. All das wollte er fortwerfen.
„Hier geht es nicht um mich, Helena, sondern um dich. Um deine Sicherheit.“
„Und um mein Schicksal. Ist es nicht so?“ Sie griff an seine Schultern, ihre Hände gruben sich ungewollt fest in die verspannten Muskelstränge, doch die Worte glitten sichtbar von ihm ab, ohne Eindruck zu hinterlassen.
„Ich will das nicht. Es ist gefährlich.“
„Mag sein. Aber wenn es eine Möglichkeit gibt, es zu Ende zu bringen, den Fluch zu brechen, dann müssen wir es versuchen. Aus dem Grund haben sich unsere Wege gekreuzt. Nichts geschieht zufällig.“
„Auch das mag sein“, erwiderte er niedergeschlagen. „Nur traue ich denen, die den Determinismus programmieren, nicht über den Weg. Helena, ich kann nicht zulassen, dass dir etwas geschieht. Ich würde ewig an dieser Schuld tragen.“
Helena wich ein Stück zurück und ließ ihn los. Es war abscheulich, was sie nun zu ihm sagte, aber es war die reine Wahrheit: „Dann willst du also, dass auch ich Schuld tragen muss, ja? Das Wissen, dir und den Opfern des Dämons nicht geholfen zu haben, wird mich mein Leben lang verfolgen, wenn ich jetzt gehe. Wie viele Menschen sollen noch sterben?“ Er schnaubte trocken, dabei war sie noch nicht fertig. „Und was ist mit mir? Ich werde mich mein Leben lang nach dir sehnen. Ist es
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