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Benkau Jennifer

Benkau Jennifer

Titel: Benkau Jennifer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phoenixfluch
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behalten, glaubte an gar nichts und fürchtete alles.

    Jede Bewegung kam ihm steif, schwerfällig, und wie die eines alten Mannes vor, als Samuel am Vormittag seine nötigsten Habseligkeiten zusammenpackte. Die Welt vor seinen Fenstern schwamm in dichtem Nebel, der Farben sowie alle Konturen fortwusch, wie Worte aus Tinte auf einem Blatt Papier im Regen. Samuels Kopf schwamm ebenfalls. Seine Gedanken glichen Worten, die nicht nötig hatten, dass man sie geschrieben festhielt, da er sie ohnehin nie vergessen würde.
    Er hatte Helenas Cousine am Morgen erreichen können und wusste, dass sie die Nacht überstanden hatte. „Irgendwie überstanden“, waren Evelyns Worte gewesen, und Helena war weggefahren, wohin auch immer.
    Nie wieder durfte er es so weit kommen lassen, zu erlauben, dass ein dummer Zufall eine Spur zu ihr legen würde. In der letzten Nacht war er so nah dran gewesen, aufzugeben wie nie zuvor in den Jahren seiner Existenz. Um ein Haar hätte er dem teuflischen Locken nachgegeben, das ihm Helenas Sicherheit für den Preis seiner Seele versprach. Nur die Tatsache, dass er nie erfahren würde, ob man dieses Versprechen einhielt, hatte ihm Standhaftigkeit verliehen und ihn widerstehen lassen. Er traute der Hölle nicht, ebenso wenig wie Moira.
    In der Gegend zu bleiben, kam nicht länger infrage. Je weiter er sich von Helena entfernte, desto sicherer würde sie sein, und somit auch der Teil von ihm, der es wert war, dass er darum kämpfte. Er musste gehen, vollständig aus ihrem Leben verschwinden, damit sie nicht länger in Gefahr war.
    Doch warum weigerte sich sein Körper, umzusetzen, was seinem Geist so fundiert und vernünftig erschien?
    Er bekam eine erste Ahnung, als er die Motorengeräusche eines Kleinwagens in der Einfahrt seines Hauses hörte. Noch ehe er aus dem Fenster blicken konnte, war er sicher, dass er einen VW-Polo sehen würde, dessen Kanariengelb durch den Nebel blitzte. Das Bild vor seinen geschlossenen Lidern brachte ihn zum Lächeln und zugleich dazu, innerlich übelste Flüche auszustoßen. Alles, was er wirklich wollte, war nun ganz nah, doch Nähe war das Letzte, was er wollte.
    Verdammt. Warum kam sie zurück?
    Er riss die Tür in dem Moment auf, in dem Helena mit der Faust dagegen bollerte. Am liebsten hätte er sie angebrüllt, doch damit kam sie ihm zuvor.
    „Ich hab angerufen!“, schrie sie. „Warum bist du nicht rangegangen?“
    Im nächsten Augenblick hing sie an seinem Hals und in seiner Brust drehte sich ein Kaleidoskop aus Gefühlen.
    „Es tut mir leid“, flüsterte sie, ohne seine Antwort abzuwarten. „Ich war so feige, abzuhauen. Es tut mir leid!“
    Die einzige vernünftige Entscheidung wäre gewesen, sie wegzuschieben und fortzuschicken. Fast hätte er es getan.
    Doch dann sagte sie: „Ich lass dich nicht mehr allein“, und nahm ihm den Atem und gleichzeitig jedes Wort, das er hätte erwidern oder mit dem er sie hätte abweisen können.
    Seine Arme umschlossen sie, ehe er sich dessen bewusst wurde. So stark sie sich gab, von ihrem Körper strahlte eine Kraftlosigkeit ab, die weit über Müdigkeit hinausging. Eine Erschöpfung, die ihn zwang, sie zu halten, weil sie ansonsten vielleicht hingefallen wäre. Er presste sie mit einem Arm an sich, strich mit den Fingerspitzen der freien Hand die tiefen Schatten unter den Augen nach. Seine Nerven tauchten in Säure, als er die Wahrheit in ihren Zügen las.
    „Du hast nicht geschlafen. Du musstest die ganze Nacht fliehen.“
    „Ich werde nicht länger fliehen.“ Ihr Blick glitt zu dem gepackten Koffer neben der Haustür. Sie schluckte, doch wirkte entschlossen,als sie ihn wieder ansah. „Wegzulaufen ist völlig falsch. Wir müssen uns dem Dämon stellen, Samuel.“
    Sie schmiegte sich an ihn und erzählte mit Tränen in der Stimme, was ihr in der Nacht passiert war. Unter Samuel tat sich bei ihren Worten die Hölle auf. Er fiel nur nicht, weil er sie festhalten musste.
    „Ich weiß nun, was ich tun muss“, sagte sie, wischte sich die Wangen ab und presste die Lippen zusammen.
    „Zunächst musst du dich ausruhen.“
    Er führte sie ins Haus, um eine Antwort hinauszögern zu können. Ohne Gegenwehr ließ sie sich auf dem Sofa in eine Decke wickeln. Samuel kochte Tee und machte Toast. Er hatte es vor ein paar Tagen gekauft, weil es ihre Lieblingsbrotsorte war, aber in Ermangelung eines Toasters — er wusste nicht einmal, warum man diese Weißbrotscheiben nicht wie normales Brot aß — röstete er es in einer

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