Benkau Jennifer
einen Hauch der ihr bekannten, spöttischen Überlegenheit. „Du hast mich für einen Dämon gehalten. Du warst ganz nah dran.“
„Dann bist du ein Engel?“
„Freilich.“ Er setzte sich bequem ins Moos und Helena ließ sich auf sein bittendes Handzeichen neben ihm nieder. „Einst gab ich mein Leben, um einen Menschen vor Unrecht zu retten. Dies ließ mich als Engel wiederkehren, als Krieger und Beschützer. Leider war es eine Hexe, die ich mit meinem Tod verteidigte, sodass ich nun auf ewig Hexen zu beschützen habe. Das wäre nicht weiterschlimm, wärt ihr nicht …“
„Die Sehenden“, unterbrach ihn Helena. „Wir sehen Engel, und wenn wir euch als solche erkennen und aussprechen, was ihr seid, dann müsst ihr ins Jenseits zurück.“
„Richtig, Pilgerin. Ohne, dass ich dünkelhaft erscheinen möchte, aber eine Hexe zu schützen, gilt in meinen Kreisen als höchster Schwierigkeitsgrad. Ich hoffe, du verzeihst mir meine Unaufrichtigkeiten, sie dienten unserem Schutz. Leider vergebens.“
„Du hast mir Angst gemacht“, stellte Helena leise fest. „Ich wollte dir vertrauen, aber du hast es immer wieder zerstört.“
Georg zupfte Grashalme ab, betrachtete jeden einzelnen und ließ ihn zwischen seinen Knien zu Boden fallen. „Zunächst versuchte ich, dir Angst vor der Außenwelt einzujagen. Ich hoffte, du würdest meine Nähe und meinen Schutz zulassen.“
„Der Drogenrausch.“
„Ja. Im weltlichen Sinne war es nichts Illegales, nur Magie, der du nicht vollends erlegen bist. Sehr anstrengende Magie, die mich schwächte. Später erkannte ich, dass deine Wahl auf Samuel und damit auf dein Verderben gefallen war. Ich beschloss, dich von ihm wegzutreiben.“ Die Bewegungen seiner Finger wurden fahrig. Augenscheinlich bemerkte er es selbst, denn er stützte die Hände hinter sich auf und lehnte sich zurück, um ein paar Schwalben zu beobachten, die in halsbrecherischen Manövern zwischen den Ästen der Eiche herumschössen. „Weißt du, ich hätte wissen müssen, dass dich etwas Grusel nicht abschreckt. Von Anfang an war mir klar, dass ich sofort hätte in die Vollen gehen sollen. Ich habe es nur nicht über mich gebracht.“
Seine Antworten waren Puzzleteile und Helena wusste, dass sie das Bild selbst zusammensetzen musste. Es gelang ihr nur langsam, doch inzwischen schienen die Teile zumindest sortiert, wenn auch nach einem System, das sie noch nicht durchschaute. „Wie konntest du kämpfen, wenn du im Grunde körperlos warst?“
Georg zog eine Augenbraue hoch. „Ich bin ein Engel, Helena, kein Geist. Ich bin nicht körperlos, ich bin lediglich nicht sichtbar für die Augen der meisten Menschen.“
„Erklär mir die Sache mit dem Porsche. War der auch nicht echt?“
Er grinste katzenhaft. „Die Fähigkeit, mich nach Bedarf mit benötigtem Equipment auszustatten, ist einer der angenehmen Aspekte dieses Jobs, wenn auch viele Jahre der Übung nötig waren, bis mir das gelang. Vor gut hundert Jahren noch hatte ich einen prächtigen andalusischen Hengst.“
„Und sahst damit aus wie Zorro, richtig?“ Helena erlaubte sich ein Kichern, das ihr sogleich wieder verging. Nachdenklich spielte sie mit den Fingern im weichen Moos. „Dann war es deine Aufgabe, mich vor dem Dämon zu beschützen.“
„Unter anderem. Leider kann man Dämonen nicht so leicht endgültig töten.“
„Und was ist mit dem Polizisten? Dem Jungen, der mir nur einen Drink ausgeben wollte?“
„Als ich sie angriff, waren sie bereits tot“, sagte Georg, ohne dass sein Gesicht eine Emotion freigab. „Der Dämon hatte sie befallen, um sich an dich heranzuschleichen, ohne von dir gesehen zu werden. Ich würde nie einen Unschuldigen töten.“
Der Gedanke an Samuel schoss durch Helenas Bewusstsein. Ihr Herz hätte rasen müssen, doch irritiert bemerkte sie, dass es still blieb. Vollkommen still. Sie presste sich eine Hand auf die Brust und fühlte, doch sie begriff nur langsam.
Sie war also tatsächlich tot.
Georg seufzte. „Nein, auch deinen Samuel tötete ich nicht, auch wenn dich dies gerettet hätte. Sein Tod hätte den Dämon vernichtet und verhindert, was geschehen ist. Aber es gibt gewisse Regeln.“
Er biss die Zähne zusammen, als wären diese Regeln ganz und gar nicht in seinem Sinne. Dann griff er urplötzlich nach Helenas Hand und drückte sie leicht an seine Lippen. Sie ließ es geschehen. Zu ihrem Erstaunen fühlte es sich auf eigenartige Weise gut an. Richtig.
Gleichzeitig irritierten diese Gefühle sie
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